„Homosexualität ist moralischer Genozid!”
Von David Schwarz
„Homosexualität ist moralischer Genozid!“
In 37 von 53 Staaten Afrikas existieren Gesetze, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen. Machthaber in etlichen Staaten des Kontinents wettern gegen die „unafrikanischen, dekadenten“ Lebensweisen des liberalen Nordens und inszenieren sich als Wahrer „originär afrikanischer“ Traditionen. Homoverbände und kritische Geister aus Afrika wie Europa und den USA behaupten hingegen meist, Homophobie sei ein westlicher Import. Beide Positionen bestimmen projektive Blicke.
Momentan bestimmen Männer wie Robert Mugabe die Debatte in Afrika. Für ihn sind Schwule „schlimmer als Schweine und Hunde“. Auch Otto Odonga, ugandischer Parlamentarier, schaffte es mit der Aussage in die New York Times, er würde seinen eigenen Sohn umbringen, falls dieser schwul wäre. Vor allem die Diskussion um die Einführung der Todesstrafe für „wiederholte homosexuelle Handlungen“ in Uganda machte das Thema Homophobie in Afrika zu schlagzeilenrelevantem Material für Massenmedien im Norden, aber auch in Subsahara-Afrika. Übergriffe auf Schwule in Kenia, Verhaftungen von Schwulen in Malawi, „korrektive Vergewaltigungen“ von Lesben in Südafrika und Morde an Homosexuellen in Nigeria – die Berichterstattung der meisten europäischen und nordamerikanischen Medien legt das Bild eines zutiefst homophoben Kontinents nahe.
Überraschende Einhelligkeit von Homophoben und deren Gegnerinnen und Gegner
Doch was bedeutet Homosexualität in Afrika? Alleine der Versuch, auf diese Frage für einen ganzen Kontinent Antworten zu finden, muss scheitern. Afrika, in diesem Kontext Sub-Sahara Afrika, ist kulturell, sprachlich und politisch ebenso wenig als Einheit zu fassen, wie Europa oder die so oft imaginierte „muslimische Welt“.
Umso überraschender ist die Einhelligkeit, mit der sowohl die öffentlich wahrnehmbaren homophoben Akteure in Afrika, als auch deren Gegnerinnen und Gegner die Wurzel allen Übels identifizieren: der Kolonialismus ist Schuld an der Misere. Gleichgeschlechtliche Liebe sei eine „ausländische Praxis, die in unser Land importiert wurde“ meint Mugabe, während etwa die Nichtregierungsorganisation „Gays and Lesbians of Zimbabwe“ (GALZ) Homophobie und nicht etwa Homosexualität als den „korrupten westlichen Import“ benennt und damit auch das Argument zahlreicher Homo-Verbände aus dem Norden wiederholt.
Eindeutig widerlegt ist zumindest die Aussage, homosexuelle Handlungen hätte es in SubsaharaAfrika vor der Eroberung des weißen Mannes nicht gegeben. Zwar lässt sich auch dies nicht mit letzter Gewissheit für alle Länder zwischen dem Senegal und Madagaskar sagen. Aber nach Ansicht der USamerikanischen Soziologen Stephen O. Murray und Will Roscoe ist es durchaus legitim, zumindest in Sachen gleichgeschlechtlicher Sex im präkolonialen Subsahara-Afrika, verallgemeinernde Aussagen zu treffen. Ihre umfangreichen Untersuchungen in Westafrika und im südlichen Afrika beschreiben eine jahrhundertealte Geschichte der Homosexualität in über 50 Gesellschaften.