Under Construction
Under Construction
Der koloniale Beitrag zu Bildung
Wenn es um Afrika geht, dann werden Stämme1 noch immer gerne als Erklärungsmodell für alle möglichen Phänomene verwendet. Fast alles lässt sich unter dem Aspekt der Stammesgesellschaften und den dazu gedachten gegenseitigen Rivalitäten betrachten und erklären. Aber handelt es sich bei Stämmen wirklich um etwas schon immer da Gewesenes oder liegt ihre Entstehung vielleicht noch gar nicht solange zurück?
Wird heute ein Blick in die Medien geworfen, taucht gerade in Bezug auf Afrika sehr häufig das Konzept der Ethnie auf: Konflikte werden zwischen verschiedenen Ethnien ausgetragen. Ethnien schlagen Präsidentinnen oder Präsidenten vor. Ethnische Gruppen waren es, die für die Unabhängigkeit ihrer Länder von den europäischen Kolonialmächten gekämpft haben. Sie scheinen für nahezu alles, was auf dem afrikanischen Kontinent geschieht, als Erklärung herangezogen zu werden.
Hierbei wird Ethnie oft als Synonym für Stamm verwendet. Ein Begriff der heute mit abwertender Konnotation besetzt ist. Ethnie klingt neutraler, meint aber in seiner Verwendung oft das Gleiche. Es wird das Bild vermittelt, dass es sich bei Ethnien bzw. Stämmen in Afrika um quasi statische Bevölkerungsgruppen handelt, deren Kultur und Traditionen seit Jahrhunderten gleich geblieben sind – daran scheint auch die Anwesenheit europäischer Kolonialmächte nichts geändert zu haben. Jedoch sind die afrikanischen Gesellschaften weder starr, noch waren sie in vorkolonialer Zeit alle in gleicher Weise organisiert. Die Formen politischer Organisation waren schon immer vielfältig und wandelbar. Die Stämme bzw. Ethnien, die wir heute meinen zu kennen, hat es in vorkolonialer Zeit weder flächendeckend noch in dieser Form gegeben, denn zu einem Großteil wurden sie von europäischen Kolonialmächten konstruiert. Und dieser koloniale Einfluss auf die politische Organisation hat bis heute Auswirkungen. Was haben die Kolonialmächte also getan, dass die heutigen Stämme bzw. Ethnien entstanden sind?
Indirekt Herrschen …
Die europäischen Mächte hatten verschiedene Strategien, um ihre Kolonien zu verwalten. Aber da diese Gebiete um ein vielfaches größer waren als die Länder der Kolonialmächte, hätte es viel Personal und Geld bedurft, um die Herrschaft dort zu durchzusetzen. Außerdem existierte eine große Konkurrenz zwischen den Kolonialmächten, die Gebiete mussten auch nach außen hin abgesichert werden. Es wurde also nach Strategien gesucht, um mit möglichst wenigen Ressourcen die Herrschaft in den Kolonien zu erlangen und zu halten. Die britische Kolonialmacht beispielsweise konnte mittels ihrer Politik der indirekten Herrschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts ihre Kolonialgebiete sichern. Dabei wurde die indirekte Herrschaft nicht gleichzeitig in allen britischen Kolonien in Afrika umgesetzt, sondern zunächst in Natal, Südafrika und Nigeria, spä- ter dann auch in den vormals deutschen Kolonien, die teilweise nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in britische Hände übergingen.
Indirekte Herrschaft meint die Regierung der britischen Kolonialmacht, ausgeführt aber durch „indigene“ Institutionen in den Kolonien. Die Briten bauten darauf, dass es in der gesamten von ihnen beherrschten Region lokale Autoritäten, wie Dorfvorsteher oder chiefs2 gibt, die durch die Bevölkerung legitimiert waren. Die Idee war nun, diese vorhandenen Strukturen für administrative Zwecke zu nutzen. Bei der konkreten Umsetzung traten jedoch Probleme auf: Einerseits stand in der Realität nicht allen Gesellschaften eine lokale Autorität bzw. ein chief vor. Andererseits gab es aus den Reihen der bestehenden Autoritäten Widerstand gegen die Kolonialmächte. Deshalb wurde das Amt des chiefs durch die Briten neu definiert: Sowohl traditionelle als auch nicht traditionelle Autoritäten mussten nun offiziell ernannt werden. Wer nun zum chief gemacht wurde oder eben nicht, hing vollständig vom Willen der Kolonialmacht ab, eine lokale Legitimation durch die Bevölkerung spielte keine Rolle mehr.