Widerstand soll sich nicht lohnen
Von Agnes Andrae
Abschiebungen finden tagtäglich aus Deutschland statt. Wenn sich Geflüchtete bei der Abschiebung wehren, müssen sie in einzelnen Fällen mit Verurteilungen wegen Widerstandes rechnen. So auch im Falle von Frau K.
Es ist 3:30 morgens. Frau K. liegt in ihrem Bett und schläft. Zusammen mit ihrem 4-jährigen Sohn und ihrem Lebensgefährten. Die Tür geht auf. Rund ein Dutzend Beamt*innen stürmen das Zimmer und befehlen ihr und ihrem Sohn mitzukommen. Frau K. ist nicht bekleidet und weigert sich, mit den Polizist*innen mitzugehen. Ihr Sohn beginnt zu weinen. Er wird von einer Polizistin aufgefordert, seine Sachen zu packen. Er und seine Mutter sollen noch heute nach Italien abgeschoben werden. Frau K. ist verzweifelt. Sie droht an, aus dem Fenster zu springen, wenn sie weiterhin gezwungen wird, mit den Beamt*innen mitzugehen. Sie wird immer noch unbekleidet von den Polizist*innen überwältigt, zu Boden gebracht und gefesselt. Sie ist im siebten Monat schwanger.
Frau K. ist ein sogenannter Dublin-Fall. Die erst 21 Jahre alte Frau ist von Italien nach Deutschland geflohen. Zuvor wurde sie Opfer von geschlechtsspezifischer Verfolgung in ihrem Herkunftsland. Sie schaffte es mit ihrem Sohn nach Libyen, wo sie am eigenen Leib die Menschenrechtsverletzungen, die dort gegenüber Geflüchteten begangen werden, erfahren musste. Ihre Flucht führte weiter nach Italien, wo sie nicht bleiben konnte. Sie war dort obdachlos und sah keine Perspektive für sich und ihren Sohn. In Deutschland angekommen wurde sie in einer der Dependancen eines Anker-Zentrums in Bayern untergebracht. Gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrem Lebensgefährten, den sie in Italien kennenlernte. Von ihm wurde sie schwanger und die beiden wollten heiraten. Ihr Partner befand sich bereits im nationalen Verfahren. Er ist Asylbewerber. In der Unterkunft lebten sie zu dritt in einem Zimmer. Sie wurden wie eine Familie gemeinsam untergebracht. Sie wollten heiraten und die Vorbereitungen dazu waren nahezu abgeschlossen. Trotzdem wurde versucht, Frau K. und ihren Sohn auf Grund der Dublin-III-Verordnung nach Italien abzuschieben. Dieses Land hatte sie während ihrer Flucht in Europa das erste Mal betreten. Nach der Verordnung war nun Italien für ihren Asylantrag zuständig.
(von Agnes Andrae)