Auf dem Trip zum Kommunismus
Von Ikarus Peyote
Als im 2. Weltkrieg die Zivilisation zerbrach und die Menschheit sich restlos zu zerschlagen drohte, fand Albert Hofmann ein mysteriöses Wunder, das seither das Selbstverständnis des Menschen in Frage stellt: LSD. Doch inwiefern ist diese Substanz für die Linke relevant?
„Der Mensch kann nur zu sich selbst gelangen, wenn die Transzendenz besiegt ist, wenn die Ewigkeit im Hier und Jetzt gegenwärtig ist.“
(Herbert Marcuse)
Die gegenwärtige Vernunft in den Subjekten ist die Vernünftigkeit des kapitalistischen Realitätsprinzips. Sie verachtet das Reich der Fantasie und das Lustprinzip. Sie bemisst den Menschen danach, ob er nützlich für die Produktivität ist. Die Produktivität wiederum misst sich entlang der Kapitalverwertung und damit jenseits von allem Lebendigen. Produktivität führt als Konsequenz stärker in Entfremdung und Destruktivität hinein, wobei ihr Ausmaß gleichzeitig so weit gewachsen ist, dass es de facto keine Lebensnot mehr geben müsste. Würde die Menschheit diesen Fakt nicht mehr verdrängen, sondern anerkennen, wäre sie frei. Die Produktivität könnte entlang des Lustprinzips reorganisiert werden. Der Mensch ist heute der Feind seiner eigenen Lustbefriedigung und sein Vorstellungsvermögen ist derart herabgesunken, dass es leichter geworden ist, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus. „Was tun?“ fragte Lenin einst. Vielleicht wäre mit Timothy Leary zu antworten: „Tune in, turn on and drop out!“?
LSD ist in der Lage, alle traditionellen Grenzen und Gesetze der menschlichen Wirklichkeitsrezeption aufzuheben. Es löst eine Krise im Individuum aus, und diese Krise zwingt zur Reflexion. Dabei steht das Individuum vor der Entscheidung, ob es mit produk-
tiver Verwunderung oder mit Panik reagiert. LSD ist ein „hochwirksamer unspezifischer Verstärker oder Katalysator biochemischer und physiologischer Prozesse im Gehirn“ (Stanislav Grof). Alle Sinne werden intensiviert, verstärkt und erweitert. Bei einer typischen LSD-Erfahrung verschwimmen die Grenzen von Realität und Fantasie: Alles, was gedacht oder empfunden wird, realisiert sich vor dem inneren Auge. Es ist wie ein Traum im Wachzustand. Der Traum übernimmt im LSD-Trip die absolute Rolle der Realität. Sämtliche Abwehrmechanismen des Ichs sind aufgelöst. Das Freud’sche Instanzenmodell aus Es, Ich und Über-Ich ist im LSD-Rausch mindestens verflüssigt und hoch dynamisiert. Die Macht des Unbewussten ist massiv verstärkt und die Kontrolle des Menschen über sich selbst weitgehend in Frage gestellt. Dadurch wird das berauschte Individuum mit dem konfrontiert, was es verdrängt: Es ist gezwungen sich zu erinnern und zu reflektieren, wodurch das Realitätsprinzip des Individuums unter Erklärungsdruck gerät. Das berauschte Individuum tritt in den Dialog mit sich selbst und kann die eigenen Voraussetzungen und Logiken der Identitätsstiftung untersuchen. Das Individuum erlebt in sich selbst ganz präsent, was sonst versteckt ist: die eigene Triebökonomie, die bestimmende Aktivität von Todes- und Lebenstrieb im eigenen Handeln und Denken.