Zärtlich im Altersheim
Ein Interview von Matthias Weinzierl
Zärtlich im Altersheim
Siegfried Benker war Hausbesetzer und Grünen-Fraktionschef im Münchner Rathaus. Nun ist er Geschäftsführer der MÜNCHENSTIFT-Gesellschaft und damit verantwortlich für 13 Altenheime in München. Matthias Weinzierl hat sich mit ihm über Liebe, Sex und Vorurteile im Alter und im Heim unterhalten.
Liebe und Sexualität – spielt das im Alter noch eine Rolle, und im Speziellen auch im Altersheim?
Ja, Gott sei Dank. Es gibt zum Glück kein Alter, in dem das Bedürfnis nach Liebe und Sexualität plötzlich ausgeschaltet würde. Es bleibt das ganze Leben bestehen. Dementsprechend haben wir in unseren Häusern immer mal wieder Paare und Liebesbeziehungen. Wir haben hier tagtäglich Menschen, die sich ankuscheln wollen und Nähe, Wärme, Geborgenheit und Körperkontakt suchen. Wir haben auch alle Konflikte, die zur Sexualität gehören: Eifersucht; Bewohnerinnen die von einem Bewohner belästigt werden, dies aber nicht wollen; Mitarbeiterinnen, die sexuell und anzüglich angegangen werden. Selbst wenn es in der Altenhilfe gerne wegdiskutiert wird: Sexualität ist als Thema immer auch da. Das entspricht ja nicht unbedingt dem Klischeebild, das man von alten Menschen hat.
Kann denn der Alltag eines Altenheims überhaupt die Freiräume für die Befriedigung dieser Bedürfnisse bieten?
Natürlich ändern sich Sexualität und Sexualverhalten im Laufe eines Lebens. Man muss sich die Sexualität im Alter sicher etwas anders vorstellen als die junger Menschen. Da geht es wohl mehr um Zärtlichkeit, um Körperkontakt und um das sich „näher Kommen“ als um konkrete sexuelle Beziehungen. Selbstverständlich gibt es all das in unseren Häusern. Zu den Freiräumen: Wir haben in unseren Häusern Einzel- und Doppelzimmer. In den Einzelzimmern ist es überhaupt kein Problem, wenn sich Menschen zurückziehen möchten. In den Doppelzimmern kann es schwierig werden, aber auch dort finden sich immer Mittel und Wege, dass Menschen, die zueinander wollen, auch zueinander kommen.
Und wenn sich dann zwei zurückgezogen haben, wie geht das Personal damit um? Gibt es einen Verhaltenskodex, ein Diskretionsgebot? Wie darf man sich das vorstellen?
Sexualität ist immer auch Alltag in unseren Häusern. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen natürlich, in irgendeiner Art und Weise damit locker umzugehen, was mal klappt und manchmal auch nicht. Aber im Großen und Ganzen führt das zu keinen großen Konflikten. Es ist auch nicht so, dass an mich als Geschäftsführer permanent Konflikte hierzu herangetragen würden. Sexualität ist eine Sache, die halt da ist, die zur Kenntnis genommen wird und vielleicht da und dort mal zu Schwierigkeiten führt, aber ansonsten mit Wohlwollen gesehen wird, besonders wenn in einem unserer Häuser Paare im hohen Alter zu einander finden und eine Beziehung eingehen.