zitiert – kommentiert
Von Hubert Heinhold
„Hunger und Liebe sind die Triebkräfte aller menschlichen Handlungen.“
Politisch Verfolgten wird ein Asylrecht gewährt und Bürgerkriegsflüchtlingen ein schwächerer subsidiärer Schutzanspruch zugestanden. Aber warum werden diejenigen, die einer Hungersnot entfliehen, als „Armutsflüchtlinge“ bezeichnet und alles daran gesetzt, sie so rasch wie möglich abzuschieben? Ist das Recht auf politische Betätigung und Meinungsfreiheit so viel höherwertiger als das Recht auf die nackte Existenz? Warum werden von Bürgerkriegen lebensgefährlich Bedrohte durch § 4 AsylVfG geschützt, nicht aber die Menschen, die aufgrund von Dürre oder Überschwemmung einer tödlichen Gefahr entfliehen? Eine innere Rechtfertigung hat diese Schutzhierarchie nicht. Die Opfer sorgen sich immer um ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit, gleich, ob die Ursachen für die Gefährdung von Tyrannei oder der Natur gesetzt wurden. Gemeinsam ist auch die Aussichtslosigkeit eines Widerstands, die die Menschen zur Flucht treibt. In jedem der letzten Jahre hatten viele Menschen in Deutschland ein „Jahrhunderthochwasser“ oder eine „Jahrhundertdürre“ mit großen materiellen Schäden und vielen Opfern zu beklagen. Wenn die Klimaprognosen zutreffen, wird diese Entwicklung rapide zunehmen. Ganze Landstriche könnten im Meer versinken oder austrocknen und große Not und damit Fluchtbewegungen auslösen. Dieser Entwicklung müssen wir uns stellen. Ein erster Schritt ist die Überwindung unserer tradierten Schutzvorstellungen: Es geht nicht mehr nur darum, die Oppositionellen vor der Tyrannei zu schützen, sondern auch darum, den Menschen aus den von Naturkatastrophen bedrohten Regionen zu helfen. Die jetzigen Regeln – vom Asylgrundrecht über die Genfer Flüchtlingskonvention bis hin zum europäischen System der organisierten Verantwortungslosigkeit – sind denkbar ungeeignet, die aktuellen und bevorstehenden Probleme zu lösen. Denn Überlebenswille ist wie die Liebe eine zentrale Triebkraft menschlichen Handelns (und Flüchtens). Weder Meere noch Grenzen und schon gar nicht überholte Paragraphen können diesen Kräften standhalten. Deshalb benötigen wir ein völlig neues Asylsystem, das diese Kräfte als Bereicherung versteht und ihnen nicht den Krieg erklärt.<