Egzons Rückkehr
Egzons Rückkehr
Mit Hilfe hartnäckig engagierter Menschen endet Egzon Ibrahimis Odyssee von Gjakova im Kosovo über Bad Kissingen, Priština, Ungarn und Prizren schließlich in München. Matthias Weinzierl schildert die unglaubliche Geschichte aus der Perspektive eines verdatterten Flüchtlingsrates.
„Hallo Herr Weinzierl,
wir wollen gerade losfahren, um Egzon von der Hackerbrücke abzuholen. Er hat für Ausbildungszwecke ein CVisum von der Deutschen Botschaft in Priština erhalten. Die Behörden hier werden die weitere Bearbeitung übernehmen. Egzon kann ab morgen bei der Firma Bauer anfangen und wird zunächst bei uns in Germering wohnen, bis er sich zutraut, allein zurecht zu kommen. Die Freude ist groß und ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Liebe Grüße Katharina Marefati“
Diese kurze Mail erreicht den Bayerischen Flüchtlingsrat Anfang November 2012. Tatsächlich kommt Egzon noch am selben Tag in München an und beginnt kurz darauf eine Lehre zum Elektriker. Unfassbar großartig erscheint einem dieses Ereignis jedoch erst, wenn man sich die Odyssee von Egzon und seiner Familie noch einmal in Erinnerung ruft. Eine kleine Erfolgsgeschichte über einen gut vernetzten und organisierten Jugendlichen, ein beharrliches Ehepaar und etwas mutlose Hauptamtliche des Flüchtlingsrates.
Am Rande einer Müllkippe
Die Geschichte beginnt für mich, als ich im Jahr 2008 meinen damaligen Kollegen Stephan Dünnwald auf eine Recherchereise in den Kosovo begleite. An einem Tag steht auch Familie Ibrahimi auf unserer Besuchsliste. Die fünfköpfige Familie war ein halbes Jahr zuvor von deutschen Behörden unter dramatischen Umständen in den Kosovo abgeschoben worden und fristete mittlerweile in einer baufälligen Hütte am Rande einer Müllkippe ihr Dasein. Hier treffe ich zum ersten Mal auf Egzon. Er ist ein etwas abwesend wirkender Jugendlicher, der die meiste Zeit schweigt, während seine beiden Geschwister, Suzanna (17) und Edison (15), sein Vater Ragip (40) und seine Mutter Flloza (36) uns bei Tee und Keksen die katastrophalen Lebensverhältnisse schildern und uns zeigen, wie sie versuchen, die heruntergekommene Bleibe etwas wohnlicher zu machen. Der Gestank von verbrennendem Plastik liegt schwer in der Luft. Kurz darauf mache ich mit Egzon und seinem jüngeren Bruder Edison einen kleinen Spaziergang durch die Romasiedlung. Auf der schlammigen Straße zwischen den Wohnbaracken spielen Kinder und Jugendliche und immer wieder dringen deutsche Wortfetzen zu uns herüber. Die Brüder erzählen mir von den Problemen mit den anderen Ghettobewohnerinnen und Bewohnern. Zurückkehrende aus Deutschland sind hier nicht willkommen. Dann stehen wir vor dem einzigen Neubau in der Siedlung, einem kleinen, fast fertigen Moscheegebäude, das ein muslimischer Gönner hier errichtet hat. Ein wirklich seltsamer Anblick, zwischen all den Baracken und der im Hintergrund bedrohlich vor sich hinqualmenden Müllhalde. Wir betreten die Moschee. Eine Oase der Ruhe. Hier wirken Egzon und Edison aufgeweckt. Egzon hat nur manchmal etwas Probleme die Wörter herauszubringen. Dennoch merkt man beiden an, dass sie unter der aktuellen Lebenssituation massiv leiden. Nachvoll – ziehbar. Noch vor wenigen Monaten gingen sie in die Schule, trafen sich nachmittags mit Freunden und hatten einen ganz „normalen“ Alltag in einer unterfränkischen Kleinstadt.