„Aber wenn sie mir überall Steine in den Weg legen, wie schaffe ich das dann?“
Ein Interview von Sarah Stoll
„Aber wenn sie mir überall Steine auf den Weg legen, wie schaffe ich das dann?“
(Un)Möglichkeiten von Unterhaltung. Awa Kebe im Gespräch mit Sarah Stoll.
Was verstehst du unter Unterhaltung?
Reden, Meinungen tauschen, sich äußern, Kommunikation.
Was ist für dich persönlich Unterhaltung?
Wenn ich mit meiner Mitbewohnerin zusammensitze und wir zusammen reden, dann unterhalten wir uns.
Wie verbringst du deine freie Zeit?
Oft mit Büchern, weil ich immer noch am Deutschlernen bin. Außerdem ist es mir wichtig, zu meinem Karawane-Treffen zu gehen, da kann ich mich äußern und meine Ideen weitergeben. Auch gehe ich, obwohl ich nicht schwimmen kann, gerne ins Schwimmbad und in die Sauna. Solche Sachen machen mir Spaß. Und tanzen gehen, das macht voll viel Spaß.
Du bist im Senegal geboren. In welchem Alter bist du nach Deutschland gekommen?
Das war am 30. Dezember 2009, 2007 bin ich 18 geworden, also mit 20.
Gibt es Sachen, die du im Senegal in deiner freien Zeit gemacht hast und die du hier vermisst, die du hier nicht machen kannst?
Ja, am meisten als ich noch im Asylverfahren war, als ich in einem bestimmten Landkreis bleiben musste und ich nicht frei war, mich so zu bewegen, wie ich das wollte. Wenn ich einfach Lust hatte, am Wochen – ende zu meiner Freundin nach Berlin zu fahren, durfte ich das nicht machen. Im Senegal wär’s kein Problem gewesen. Hätte ich Bock gehabt, hätte ich nach Gambia fahren können. Niemand verbietet mir das. Aber hier in Deutschland wurde ich in andere Lebenszustände gedrängt, wo man einfach seine Freiheit verliert. Und das war es,was mir während meinem Asylverfahren wirklich richtig wehgetan hat, wo man sich nicht mehr als Mensch fühlt.
Wie ist während dem Asylverfahren deine Freiheit noch eingeschränkt worden, welche Möglichkeiten sind dir noch verwehrt geblieben?
Ich war nicht frei, mein eigenes Essen einzukaufen. Ich musste Essenspakete kriegen. Ich war nicht frei und ich bin immer noch nicht frei, zu wohnen, wo ich Bock hab. Ich hatte keine Entscheidungen, die von mir selbst gekommen sind, sondern andere Menschen haben für mich entschieden. Und das ist genau das, was mich weg von meiner Heimat gebracht hat, dass ich nicht einfach selber entscheiden konnte, was ich machen möchte und was nicht. Und das ist in Deutschland noch schwerer geworden.
Wie ist es in deiner aktuellen Situation?
Ich hab einen Aufenthaltstitel gekriegt, aber die Ausländerbehörde hat eine Wohnsitznahmebeschränkung gemacht. Die haben den Wohnsitz beschränkt auf den Landkreis Augsburg. Das heißt, mich bewegen darf ich, reisen darf ich, aber mit dem Wohnen ist das bis jetzt ein harter Kampf. Ich möchte in München wohnen, hier habe ich meine Kontakte, meine Freunde. Aus medizinischen Gründen durfte ich auch nach München umziehen, weil es hier Einrichtungen gibt, die mir helfen können. Zum Beispiel das Frauentherapiezentrum – so ein Angebot gibt es im Landkreis Augsburg nicht. Aber dadurch, dass die eine Beschränkung gemacht haben, kann ich mich nicht in München anmelden, obwohl ich jetzt hier wohne. Ich vermute, die Stadt München möchte das Arbeitslosengeld II, von dem ich lebe, nicht bezahlen, aber bis jetzt weiß ich nicht genau, wer wirklich das Problem ist. Gehst du zur Ausländerbehörde, sagen sie, wir haben kein Problem, die Stadt München hat Probleme damit, gehst du zur Stadt München, sagen die, wir haben kein Problem damit, die Ausländerbehörde hat Probleme damit. Und letztendlich läufst und redest du einfach mal die ganze Zeit ’rum und es kümmert sich kein Mensch um dich.