Die Diskriminierung des Sündenbocks
Von Undine Schmidt & Matthias Weinzierl
Die Diskriminierung des Sündenbocks
Als größte Minderheit Europas erfahren die Roma immer noch Ausgrenzung und Diskriminierung. Antiziganistische Stereotype sind in vielen europäischen Ländern weit verbreitet. Bestrebungen der EU, die Lebensverhältnisse dieser Minorität zu verbessern, werden von nationalen Regierungen oft nicht ernst genommen, denn sie sind rechtlich nicht bindend. Vor allem Deutschland hat bisher noch keine Strategie zur Integration der Roma ausgearbeitet.
Worum was handelt es sich beim Roma-Rahmenwerk der EU?
Das Roma-Rahmenwerk hat eine lange Vorgeschichte. Die EU beschäftigt sich schon lange mit der Integration der Roma. Im Jahr 2005 wurde sogar das „Jahrzehnt der Integration der Roma“ ausgerufen. Das alleine bewirkte aber wenig. Deshalb forderte das Europäische Parlament die Kommission im Jahr 2008 auf, eine detaillierte Roma-Strategie zu entwickeln. Ein Jahr später wurde die „Europäische Plattform für die Einbeziehung der Roma“ gegründet, in der sich EU-Institutionen, nationale Regierungen und zivilgesellschaftliche Organisationen auf zehn gemeinsame Grundprinzipien bei der Roma-Integration einigen konnten. 2010 folgte die Gründung einer „Roma-Taskforce“, die überwachen soll, dass die EU-Gelder im Bereich der Roma-Integration in den Mitgliedstaaten der EU endlich gezielter eingesetzt werden. Da aber trotz all dieser Maßnahmen immer noch zahlreiche Schwierigkeiten bestehen blieben, forderte das Europäische Parlament 2011 erneut die Kommission auf, eine allumfassende RomaStrategie zu entwickeln, statt einzelne Maßnahmen in einzelnen Bereichen umzusetzen, die letztlich wenig Auswirkung zeigten. Im April 2011 kam die Kommission dem endlich nach und beschloss unter Mitarbeit des Parlaments das Roma-Rahmenwerk. Darin wurden die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, möglichst spezifische nationale Roma-Strategien zu entwickeln, in denen stehen sollte, welches Problem sie attestieren, welche Diskriminierung die Roma erfahren und was sie nun konkret verändern wollen. Die Probleme sind ja in jedem Land der EU unterschiedlich, da ist es sinnvoll, auch in jedem Land anders vorzugehen. Fast alle Länder sind dieser Aufforderung auch gerecht geworden. Eine der wenigen Ausnahmen ist Deutschland, wo die schwarz-gelbe Regierung der Meinung war, eine Strategie sei nicht nötig.
Welchen Lebensbereichen widmet der EU-Rahmen besondere Aufmerksamkeit?
Gibt es konkrete Zielvorgaben für die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte? Die vier Schwerpunkte des EU-Rahmenwerks sind Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Wohnsituation. Das sind ganz grundsätzliche Aspekte. Die Menschenrechtlerin in mir sieht immer wieder, dass die Roma zwar die größte Minderheit in der EU stellen, aber am meisten Diskriminierung erfahren. Ihnen werden gerade diese vier grundlegenden Menschenrechte – das Recht auf Wohnung, Gesundheit, Bildung und Arbeit – immer wieder vorenthalten. Die im Rahmenwerk, vor allem aber auch in den nationalen Strategien dafür vorgegebenen Ziele sollen bis 2020 erfüllt werden. Nun hängt es von der Umsetzung der Strategien ab, ob dies in jedem einzelnen Land auch tatsächlich gelingt.