Ausgangssperre
Von Stephan Dünnwald
Der Umgang der Behörden mit Geflüchteten in der Corona-Pandemie und deren Versagen zeigt: Der Virus macht eben doch nicht alle gleich
Denken wir an Systemrelevanz, dann hören wir das Beklatschen von Pflegekräften und von Müllarbeiter*innen oder auch das geldarme Lob, das Politiker*innen diesen Menschen in den letzten Monaten zollten. Und natürlich, der Dank gebühre auch den Behörden und Hilfsorganisationen, die all das regelten, was nun in Zeiten von Corona nötig sei. Denn die Aufrechterhaltung der Ordnung ist von besonderer Bedeutung in Momenten der Krise.
Auf der anderen Seite des Zaunes, des Bettgitters oder des Behördenschreibtisches sitzen dann all die, welche ihre „Relevanz“ eingebüßt haben oder nie hatten: Alte,
Kranke, Hartz-IV- Empfänger*innen, Wohnungslose und eben Geflüchtete. Sie sind gewissermaßen zu viel und zu viele. Entbehrlich, überflüssig, unnütz, Abfall. Der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman hat diese Unterscheidung konstituierender
Gedankengänge luzide in seinem Buch Verworfenes Leben nachgezeichnet. Dieser Ausgrenzung steht die Behauptung entgegen, welche von Madonna bis zum Psychologen Stephan Grünewald, Mitglied in Armin Laschets Corona-Expert*innenkommission, von vielen derzeit postuliert wird: Das Virus eine alle, vor dem Virus seien alle gleich.
Das Land bewegt sich im Krisenmodus. Die Krise verlangt, dass wir gemeinsam dagegen angehen. Dieses Gemeinsame – oder wenigstens der Appell der Gemeinsamkeit – suggeriert eine Gleichheit, und ein temporäres Suspendieren von Unterschieden, wie es sonst nur dem Tod zugeschrieben wird. Alle seien wir den gleichen einschränkenden Regeln unterworfen und wir müssten, so wird besonders mit Blick auf das Tragen der Maske an uns appelliert, aufeinander aufpassen. Niemand dürfe ausscheren, niemand vernachlässigt werden.