Berxwedan Jîyan e – Widerstand heißt Leben
Von Mina Avşar
Im November 2022 reist unser ehemaliges Hinterland-Redaktionsmitglied Mina Avşar in die Stadt Amed (türkisch Diyarbakır) in Südostanatolien. Dort lernt sie den 33-jährigen Kurden Aso kennen. Sie verstehen sich auf Anhieb, reden viel und lange, diskutieren und tanzen nach Mitternacht zu kurdischer Musik. Aso verbrachte neun Jahre im türkischen Gefängnis und litt auch danach unter der extremen Repression. Anfang des Jahres 2024 flieht er nach Deutschland. So treffen sich die beiden zwei Jahre später wieder. Aus der Bekanntschaft entsteht eine Freundschaft. In Berlin leben sie für einige Monate in derselben WG und die Gespräche finden ihre Fortsetzung. Mina beschließt, aus diesen Erzählungen ein Porträt von ihrem Freund, dem politischen Engagement und seinem Leben im Exil zu verfassen. Hier veröffentlichen wir ein kurzes Fragment, welches sich mit der Widerständigkeit kurdischen Lebens befasst.
Das „Leben“ als abhängige Variable. Wenn Leben bedeutet, dass die Lungen sich blähen, das Herz schlägt und ein Fuß vor den anderen gesetzt wird, dann braucht es keinen politischen Kampf. Wenn Leben aber die Freiheit in der eigenen Muttersprache zu sprechen, traditionelle Musik zu hören und Familienfeste zu feiern einschließt, wenn wir das Wort „Leben“ durch „kurdisches Leben“ ersetzen, dann ist das Leben vom Widerstand abhängig. Deshalb heißt unsere Parole lebenslang „Berxwedan Jîyan e“, also „Widerstand heißt Leben“. „Wenn wir Widerstand leisten, dann sind wir Teil des Lebens. Wenn wir es nicht tun, dann gibt es uns nicht. Dann haben wir keine Sprache, kein Land – keine Heimat.“ Aso beschreibt den Wert der Parole als das sichtbare Ergebnis einer gelebten Erfahrung. Die Kurzfassung einer „Überlebensgeschichte“. Eine Geschichte, die sein Volk seit Jahrzehnten teilt und weitererzählt. „Wenn man als Kurd*in geboren wird, lernt man diese Parole von Kindesbeinen an. Wir tanzen sie auf unseren Hochzeiten, bei jeder Demonstration skandieren wir sie.“