Blutorangen
Blutorangen
Die Lebensbedingungen afrikanischer Orangenpflücker in Rosarno
Arbeitslosigkeit, katastrophale Wohnbedingungen und schlechte medizinische Versorgung: Flüchtlinge in Kalabrien müssen mitten in Europa in bitterster Armut und Perspektivlosigkeit leben. Bilderserie von Diana Reiners, Carole und Gilles Reckinger.
Die Stadt Rosarno in Kalabrien (Italien) liegt umgeben von einem undurchdringlichen Labyrinth aus Feldwegen zwischen eingezäun- ten Orangenhainen. Überall entlang der Ausfallstraßen der Stadt warten afrikanische Erntearbeiter und hoffen darauf, dass ein Lieferwagen anhält, um sie für einen Tag anzuheuern. Die meisten von ihnen sind über die Insel Lampedusa nach Europa gekommen. Das feucht- kalte Winterwetter kriecht einem in alle Glieder. Außer den Wartenden sind die Straßen wie leergefegt. Auch wenn sie keine Arbeit finden, harren die Tagelöhner in der Kälte aus; sie haben keinen anderen Ort, an dem sie sich aufhalten können.
Kalabrien ist ein trostloses Auswanderungsland. Die Ar- beitslosigkeit ist hoch und Korruption weit verbreitet. Tourismus gibt es hier kaum. Ganze Dörfer liegen ver- lassen, Häuser und Fabriken verfallen, man sieht viele Rohbauten. Unter der Kontrolle der kalabrischen Mafia in Wirtschaft und Politik verödet das Sozialwesen der Gegend.
Geteilte Not
Das Innenministerium hat in einem nahegelegenen In- dustriegebiet ein Notlager mit Zelten für die Orangen – pflücker errichtet. Das Lager quillt völlig über: 500 Plätze bietet es, wenn man sich zu acht ein Zelt teilt. Müll liegt in den Pfützen, er wird nicht abgeholt. Strom wurde nie angeschlossen, das kann sich die Gemeinde nicht leisten. Manche haben die Straßenbeleuchtung angezapft. Ohne Kühlschränke stopfen viele ihr Essen, auch frisches Fleisch, unter ihr Feldbett. Hinter dem offiziellen Notlager ist auf dem schlammigen Boden ein fast ebenso großer Slum entstanden. Wer keinen Platz in den Katastrophenschutzzelten finden kann, haust dort in Hütten aus Karton, Plastik und Holzpaletten.