Bulgarien geht an die Grenze
Von Mathias Fiedler
Bulgarien geht an die Grenze
Während immer mehr syrische Flüchtlinge über die türkisch-bulgarische Grenze nach Europa wollen, steigt die Stimmungsmache gegen Flüchtlinge.
Ende Oktober 2013 setzte das Münchner Verwaltungsgericht eine Dublin II-Abschiebung nach Bulgarien aus. Zur Begründung verwies das Gericht auf die desolaten Zustände für Flüchtlinge in Bulgarien, und bezog sich auf den in diesem Jahr veröffentlichten UNHCR-Bericht „Where is my home?“ und den Hinterland-Artikel „Wenn du hier wohnst, wirst du ein trauriger Mann“ vom Mai 2011. Obwohl seit dem Sommer 2013 die Anzahl der Asylanträge in Bulgarien stark zunimmt, werden im Rahmen der Dublin II-Regelung weiterhin Flüchtlinge aus Deutschland nach Bulgarien abgeschoben. Für das Projekt Bordermonitoring Bulgaria dokumentierten wir die Situation für Flüchtlinge im Land.
Dauerkrise in Europas Armenhaus
In Bulgarien, dem ärmsten Land der Europäischen Union, protestiert die Bevölkerung bereits seit 10 Monaten massiv gegen die Regierung. Im Februar kam es zu einem Rücktritt der gesamten Regierung nach zum Teil auch gewalttätigen Protesten gegen zu hohe Stromkosten. Die Verzweiflung der Bevölkerung macht sich auch bemerkbar in einer steigenden Anzahl von Suiziden, darunter auch Selbstverbrennungen auf öffentlichen Plätzen. Ende Oktober 2013 kam es zu Besetzungen verschiedener Universitäten Bulgariens und zu einer Blockade des Parlaments.
Auch um die Versorgung von geflüchteten Menschen kümmert sich die bulgarische Regierung kaum. Die Lage von Flüchtlingen in Bulgarien hat sich seit unserem ersten Besuch 2011 noch einmal deutlich verschärft: Bis heute sind in mehreren staatlichen Einrichtungen insgesamt über 700 Flüchtlinge in Haft. In den Monaten September und Oktober 2013 kam es aus Protest gegen die Lebensbedingungen in den Lagern zu mehrtägigen Hungerstreiks, einmal im Haftzentrum Ljubimez, und zweimal im Haftzentrum Busmantsi. Weitere Proteste gab es im offenen Zentrum im sofioter Stadtteil Ovcha Kupel und im neuen geschlossenen Container- und Zeltlager Harmanli in der Provinz Haskovo.
Mehr Flüchtlinge – schlimmere Zustände
Im Sommer 2012, ein paar Monate nach Eröffnung des von der State Agency for Refugees (SAR) hoch gelobten Flüchtlingszentrums reisten wir im Sommer 2012 nach Pastrogor und wollten uns ein Bild von der Situation zu machen. In Gesprächen mit Flüchtlingen erfuhren wir von einer mangelhaften physischen und psychischen Gesundheitsversorgung. Dazu kamen fehlende Kochmöglichkeiten und Raummangel. Auch hörten wir von Misshandlungen und Diebstählen durch die Grenzpolizei.
Bei einem weiteren Bulgarienbesuch im Sommer 2013 wurde schnell klar, dass alle Flüchtlingslager mittlerweile heillos überfüllt waren. Eine immer größer werdende Anzahl von Menschen flüchtete vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Da seit 2012 die griechischtürkische Grenze für Flüchtlinge weitgehend blockiert ist, weichen immer mehr Menschen auf die Route über Bulgarien aus. Gegenwärtig versuchen bis zu 100 Menschen täglich die türkisch-bulgarische Grenze zu überwinden. In der Unterkunft in Ovcha Kupel schlafen die Menschen mittlerweile nicht mehr nur in überfüllten Zimmern, sondern auch auf den Gängen.