Da.Sein

Von Nikolai Schreiter

„Es ist, als ob sie jemanden ermordet hätten“

Mit wenig Budget sind Aylin Basaran und Hans-Georg Eberl Menschen hinterhergeflogen, die aus Deutschland und Österreich abgeschoben wurden. Ihre Dokumentation „Da.Sein“ stellt sich gegen das Vergessen der Geschichten von Abgeschobenen.

Die Geschichten von Abgeschobenen enden für die Hiergebliebenen oft mit der Abschiebung. Spuren verlieren sich am Flughafen, im Gefängnis oder beim Verstecken vor der Bedrohung im Herkunftsland. Jedenfalls sind Menschen, die abgeschoben wurden, meist irgendwo, wo sie nicht sein wollen. Das macht der Film „Da.Sein“ deutlich. Er lässt die Abgeschobenen ihre Geschichten erzählen, die vom Leben in Deutschland und Österreich handeln, von der Schule, dem Rosengarten in Zweibrücken, dem kaum entschädigten Arbeitsunfall in der Wurstfabrik, vom Wiener FC Sans Papiers, der Haftstrafe wegen Residenzpflichtverletzung und der Ausländerbehörde in München, die Duldungen für einen Tag ausstellt.

„Da.Sein“ zeigt zudem die Fortsetzungen der Geschichten in Nigeria und Togo nach der Abschiebung: Die vom Maniokfeld, das die Familie wieder ernähren muss, seit Magazi Touré Meriga kein Geld mehr aus Deutschland schicken kann; die vom Mann ohne Namen und Gesicht, der sich nach einem Jahr zurück in Nigeria immer noch vor Leuten aus der Vergangenheit versteckt, vor der er nach Deutschland geflohen war; die von den Vorwürfen und Streitigkeiten innerhalb der eigenen Familie, weil Meriga „es nicht geschafft hat“ und bei seiner Abschiebung Familienerbstücke und Wertsachen zurücklassen musste; und die von Yaya Agbagni, der „es auch nicht geschafft hat“ und zurück nach Togo gegangen ist, wo er mittlerweile verstorben ist. Ihm ist der Film gewidmet.

Verwirrende Montage

Viele Geschichten von vielen Menschen sind im Film ineinander geschnitten und werden nicht chronologisch erzählt. Bei manchen bleibt bis zum Ende unklar, wer wen kennt, welche Geschichten zusammengehören und welche nicht. Dazu kommen Szenen, in denen die Abgeschobenen, dort gefilmt, wohin sie abgeschoben wurden, vor ihr altes Umfeld in Hamburg oder Wien montiert wurden und so auch Unterhaltungen mit Menschen aus ihrem „alten Leben“ inszeniert werden. In Kombination mit manchen der gezeigten Gesprächsausschnitte, die sich etwa um politischen Aktivismus in Deutschland und Togo drehen, aber nicht klar werden lassen, was gerade eigentlich erzählt wird, wird der Film leider teilweise, insbesondere in der ersten Hälfte, verwirrend. Gleichzeitig macht die Verwirrung das abrupte, gewaltsame Herausreißen von Menschen aus ihrem Umfeld, ihrem Freundeskreis, das Abschiebung immer ist, greifbarer. Gegen Ende steht ein Freund des abgeschobenen FC Sans Papier-Spielers Agbai Eze Vincent vor dessen altem Haus in Wien und sagt: „Es ist, als ob sie jemanden ermordet hätten. Wenn du jemandem seinen Traum entreißt, dann hast du ihn getötet.“

(der ganze Artikel im PDF Format)