„Der Flüchtlingspass hilft hier nichts”
Von Sebastian Muy
„Der Flüchtlingspass
hilft hier nichts”
Kolumbianische Flüchtlinge in Ecuador
In keinem anderen Land Lateinamerikas leben so viele Flüchtlinge wie in Ecuador. Die meisten von ihnen sind vor dem bewaffneten Konflikt und der Gewalt in Kolumbien geflohen. Abschiebeschutz zu erhalten, wird für sie im 30. Jahr der lateinamerikanischen Cartagena-Erklärung immer schwieriger.
Seit vielen Jahren wenden in Kolumbien alle Konfliktparteien (Guerillagruppen versus Paramilitärs und Armee) Vertreibungen als Kriegsstrategie gegen Personen an, denen sie Verbindungen zur jeweiligen Gegenseite nachsagen. So hat seit der erneuten Eskalation des kolumbianischen Konflikts zu Beginn der 2000er Jahre die Zahl der Asylanträge in Ecuador signifikant zugenommen. Allerdings stellt nur eine Minderheit der Personen, die im Rahmen des kolumbianischen Konflikts nach Ecuador fliehen, einen Asylantrag.
Im Rahmen des sogenannten ‚Registro Ampliado’, ein auf ein Jahr befristetes, niedrigschwelliges und vereinfachtes Schnellverfahren, wurden zwischen März 2009 und März 2010 tausende Asylanträge von KolumbianerInnen in den nördlichen Regionen Ecuadors geprüft. Dabei agierten die BehördenmitarbeiterInnen mit Unterstützung des UNHCR anhand der Kriterien der Flüchtlingsdefinition der CartagenaErklärung. Fast 28.000 KolumbianerInnen wurden in diesem Zeitraum als Flüchtlinge in Ecuador anerkannt und erhielten damit Zugang zu Abschiebeschutz und Bewegungsfreiheit. Die endgültige Ablehnung des Flüchtlingsstatus war als Option im Verfahren nicht vorgesehen. Allerdings wurden knapp 1.200 Fälle zur erneuten Prüfung ins Standardverfahren überwiesen.
Die Erklärung von Cartagena wurde 1984 in Cartagena de las Índias in Kolumbien als Ergebnis der „Konferenz zum internationalen Schutz von Flüchtlingen in Zentralamerika, Mexiko und Panama“ verabschiedet. Hintergrund war die Erfahrung von Vertreibung von mehreren Millionen Menschen im Zuge des staatlichen und paramilitärischen Terrors in verschiedenen zentralamerika7nischen Staaten Anfang der 1980er Jahre.
Der Kern der Deklaration ist eine Flüchtlingsdefinition, die das international weitgehend anerkannte Flüchtlingskonzept der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) aufgreift und erweitert. Die Definition umfasst nicht nur diejenigen, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung” aus ihrem Land fliehen. Sie betrifft auch diejenigen Personen, die sich zur Flucht veranlasst sehen, „weil ihr Leben, ihre Sicherheit oder Freiheit durch allgemeine Gewalt, Aggression von außen, innere Konflikte, massive Menschenrechtsverletzungen oder andere Umstände, die zu schweren Störungen der öffentlichen Ordnung geführt haben, bedroht ist“.