Die Attitüde des Helfens
Von Undine Schmidt & Matthias Weinzierl
„ In der Attitüde des Helfens ist eine Hierarchie eingebaut“
Im Jahr 2005 hat Stephan Dünnwald seine Dissertation „Der pädagogische Griff nach dem Fremden“ ver- öffentlicht. Darin geht es um die Haltung einer lokalen Bürgerinitiative bei der Unterstützung von Flüchtlingen einer benachbarten Unterkunft. Grund genug, um mit dem Autor über Paternalismus und den pädagogischen Habitus in der Flüchtlingsarbeit zu sprechen.
Im Bereich der Flüchtlingsunterstützung ist oft von Paternalismus die Rede. Ist dieser Bereich besonders davon geprägt?
Ich würde sagen, Paternalismus bildet sich immer gegenüber Einwanderungsgruppen heraus. In den 90er Jahren waren das vorzugsweise Flüchtlinge, die in einer gesellschaftlich besonders schwachen Position hier ankamen. Sie wurden aus einer wohlwollenden Perspektive mit der Annahme, dass sie verfolgt werden, als besonders beschützenswert wahrgenommen. Aber dieser Paternalismus ist immer nur als wohlwollende Haltung eines Teils der Gesellschaft zu sehen; dem gegenüber steht die abwehrende Haltung eines anderen Teils der Gesellschaft. Im Vergleich zu den 90er Jahren – man denke an die Brandanschlägeäußert sich letzterer, der ablehnende Teil, heute nicht so massiv. Wobei ich die aktuelle Situation auch nicht schönreden möchte! Es ist durchaus noch eine Abwehrreaktion und eine manifeste Abwehrhaltung in Teilen der Bevölkerung Deutschlands festzustellen. Das sind also zwei Haltungen gegenüber Fremden, gegenüber Flüchtlingen, die aufeinander bezogen sind. Die Leute, die sich wohlwollend gegenüber Migrierten und Flüchtlingen verhalten, sehen natürlich auch die Seite des „hässlichen Deutschen“, wie man so häufig sagt, und wollen aktiv – mindestens so sehr, wie sie den Flüchtlingen aktiv helfen wollen – diesem Bild des Deutschen ein positives entgegenstellen. Sie wehren sich dagegen, dass Deutschland nur als rassistisch wahrgenommen wird. Daher ist ihr Ziel, damit auch in die Öffentlichkeit zu gehen. Ob das jetzt notwendigerweise paternalistisch sein muss, ist eine andere Frage. Ich meine, das ist abgestuft zu sehen: Einige Gruppen bemühen sich um gleichberechtigte Verhältnisse mit Flüchtlingen, also um einen Umgang auf Augenhöhe; andere Gruppen wiederum wollen Flüchtlingen primär helfen. In der Attitüde des Helfens ist eine Hierarchie eingebaut: Zwischen denjenigen, die Hilfe geben, und denjenigen, die Hilfe annehmen, besteht ein Ungleichgewicht, das sich auch nicht so schnell ausgleichen lässt.