Die Verteidigung der Menschenrechte braucht Anteilnahme
Von Stephan Dünnwald
Gerade wird eine Trennung in ‚gute’ und ‚schlechte’ Flüchtlinge forciert. Die ‚schlechten’ will man loswerden.Vor den Konsequenzen schließt man kollektiv die Augen.
Abschieben: So lösen wir das Flüchtlingsproblem.
Allenthalben wird derzeit auf Abschiebung gedrängt. Die Europäische Kommission ermahnt die Mitgliedstaaten dazu, Abschiebun- gen konsequenter durchzuführen. Anlässlich des Rückübernahmevertrags mit Afghanistan schreibt Bundesinnenminister Lothar de Maizière an seine Länderkolleginnen und -kollegen, man müsse nun dieses Abkommen „zügig mit Leben füllen“. Das heißt übersetzt: afghanische Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurden, möglichst abschiebefertig zu machen. Der Baden-Württembergische Innenminister Thomas Strobl stellt gegenüber der Zeitung Die Welt fest: “Die Integration der Menschen mit Bleiberecht wird nur gelingen, wenn wir hart gegen jene mit abgelehntem Asylantrag vorgehen. Wir brauchen beides: Herz für diejenigen, die einen Bleibeperspek- tive haben, und Härte gegenüber jenen, die ausreisepflichtig sind.“ (Warum der CSU Vize Strobl auch Kranke abschieben will, welt.de, 5.12.16)
Eine harte Abschiebepraxis also als Voraussetzung für eine gute Integration derer mit Flüchtlingsschutz? Diese steile These wird immer öfter in den Raum gestellt, ohne dass eine Begründung dazu geliefert wird. Aber erst mal: Was heißt das, Härte gegenüber den Ausreisepflichtigen?
Zentral, kalt, funktional – die neue Ausländerbehörde
Ortstermin: Zentrale Ausländerbehörde der Bezirksregierung von Schwaben in Augsburg. Mohamed hat eine Vorladung erhalten. Der junge Afghane hatte gerade erst die rechtskräftige Ablehnung seines Asylverfahrens erhalten, ein Schock. Noch hat er die Aufenthaltsgestattung. Der folgende Bericht stammt von einer Ehrenamtlichen:
„Vorgelegt wurde ihm eine Belehrung mit 8 Punkten, dass er die Wahrheit sprechen muss, seiner Mitwirkungspflicht nachkommen muss, dass er seinen Wohnsitz nicht länger als drei Tage verlassen darf, dass er nicht umziehen darf. Diese Belehrung musste er unterschreiben. Ihm wurde mitgeteilt, dass er seine Aufenthaltsgestattung abgeben muss und mit diesem Termin das Asylverfahren mit der Ausreiseaufforderung beendet ist. Er habe kein Recht mehr, sich in Deutschland aufzuhalten und müsse innerhalb einer Frist, hier bis maximal 27.12.16, das Land verlassen. Ihm wurde eine Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) ausgehändigt und gesagt, dass dies kein Ausweis oder Passersatz sei und hiermit bescheinigt wird, dass er sich nun nicht mehr legal in Deutschland aufhalte.
Im weiteren Verlauf des Gespräches wurde er befragt, ob er keine Taskira (eine Art Registerauszug, Bedingung für den Erhalt eines Passes) besäße und warum er diese nicht beschaffen kann. Er antwortete, dass er über die afghanische Botschaft keine Taskira erhalte und somit auch keine Ausweisdokumente. Dies muss er nun mit einer Bescheinigung der Botschaft nachweisen, hier wurde ihm eine Frist bis zum 16.12.16 gesetzt. Auf die Frage, was passiert, wenn er nicht rechtzeitig einen Termin bei der Botschaft bekäme, heißt es, auch dies müsse er sich bestätigen lassen. Allerdings wurde er auch darauf hingewiesen, dass er auch ohne Papiere abgeschoben werden könne.
Eine Möglichkeit wenigstens bis zum 16.12. noch eine Duldung zu erhalten, um wenigstens irgendein Ausweisdokument zu haben, wurde verneint. Es werde der Sozialbehörde mitgeteilt, dass die Leistungen eingestellt werden. Ob ihm nun überhaupt noch Leistungen bezahlt werden, sei in der betreffenden Behörde zu erfragen. Auf die Frage, was passieren würde, wenn er sich irgendwo ausweisen müsste, konnte mir keine klare Antwort gegeben werden.
Des Weiteren erfragte ich dann die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise. Diese Möglichkeit wurde ihm erklärt, allerdings erst nachdem ich darauf hingewiesen habe. Eben auch die Option zur Wieder- einreise mit einem Arbeitsvisum, da er bei einer freiwilligen Rückkehr mit keiner Sperre zu rechnen hätte. Bei einer Abschiebung wäre die Sperre 30 Monate. Dann wurde er informiert, dass er EUR 700,- als Reisebeihilfe bekäme und On Top der Flug bezahlt würde. Er könne dann geplant ausreisen. Eine Abschiebung erfolge unangekündigt und nötigenfalls gewaltsam.“