Ehrenamt: „Einfluss und Macht können ein Motiv sein“
Ein Interview von Christian Steinmüller
Sie tun Gutes. Flüchtlingsarbeit wäre ohne ehrenamtliche Helferinnen und Helfer nicht machbar. Keine Frage. Aber was bewegt einen Menschen dazu, sich ehrenamtlich zu engagieren? Ist es reine Selbstlosig- keit? Die gibt es so aber nicht, meint Dr. Horst Heidbrink. Im Gespräch erklärt der Sozialpsychologe, warum manchmal auch durchaus egoistische Motive hinter einer scheinbar selbstlosen Tat stecken. Geholfen sei damit aber niemanden.
Herr Heidbrink, haben Sie ein Ehrenamt?
Nein,
Ist das nicht ein bisschen egoistisch?
Ja. (lacht) Das könnte man vielleicht so bezeichnen. Aber momentan bin ich mit meinem Beruf, Familie und anderen Verpflichtungen gut ausgelastet. Aber wenn ich im Ruhestand bin, möchte ich schon ein Ehrenamt übernehmen.
Ist das dann selbstlos?
Das ist schwer zu sagen. Es hängt ein bisschen von der Definition ab. Unter Altruismus versteht man ja schon so etwas wie Selbst- losigkeit. Wenn man sich das genauer überlegt, geht es darum, dass ich etwas tue, das jemand anderen mehr nutzt als mir selbst. Beim Ehrenamt sieht das von außen betrachtet ja so aus.
Aber?
Es bedeutet nicht, dass es einem selbst überhaupt nichts bringt.
Ist es der Dank, die Anerkennung?
Auch, ja. In den meisten Fällen brauchen wir für unser Handeln natürlich schon bestimmte Motive – selbst wenn wir dafür kein Geld erhalten. Dann bekommen wir normalerweise etwas anderes dafür, oder erhoffen uns das zumindest. Das kann die Aufmerk- samkeit sein, die jemand erhält, soziale Eingebundenheit oder einfach nur Spaß – also Dinge, die dem Leben zusätzlichen Sinn geben. Und das widerspricht nicht unbedingt der Rede vom Altruis- mus.
Das klingt ja nach durchaus positiven Motiven. Gibt es auch negative?
Ja. Wie in der normalen Ar- beitswelt können auch im Ehren – amt sicherlich Einfluss und Macht ein Motiv sein. Das heißt, wenn ich anderen helfe, dann ist es ja häufig so, dass ich gleichzeitig zumindest zum Teil über sie bestimme und dadurch auch Macht ausübe. Und wenn ich eine Position habe, in der ich Macht habe, kann es natürlich auch passieren, dass ich sie gegenüber anderen auch ausnutze.