Ein Prosit den coolen Säuen!
Von Stefan Klingbeil
Ein Prosit den coolen Säuen!
Knapp 30 Monate habe ich im Bayerischen Flüchtlingsrat mitarbeiten dürfen – ein einziges Fest! 30 Monate des Empowerments untereinander und nach außen, 30 Monate der fortwährenden Debatte, der Diskussion, der Intervention und der kleinen Erfolge, mittleren Besäufnisse und großen Ernüchterungen, 30 Monate des Gefühls etwas bewegen zu können, im Team eine Stärke zu entwickeln, Ideen zusammen zu spinnen, Aktionen zu planen und dann doch immer wieder überrascht zu werden, dass alles anders kommt als gedacht.
Am Anfang stand der Sprung ins kalte Wasser: Auch wenn ich seit 1991 in Sachen Antirassismus organisiert war, so war es doch ein Wiedereinstieg der besonderen Art. Der verehrte Kollege Klaus hatte bereits alles eingefädelt für die erste Refugee-RightsConference in Nürnberg 2008. Als Newcomer und ohne die beteiligten Flüchtlinge zu kennen, war ich sehr gespannt auf das, was dort geschehen sollte. Doch zuvorderst fielen nicht Inhalte auf, (die Fokussierung auf die längst bekannten Themen und Probleme Lagerzwang, Residenzpflicht, medizinische Unterversorgung und Arbeitsverbot war schnell geklärt, themenspezifische Workshops vorbereitet). Wichtiger und auffälliger für mich war, was die Teilnahme an der Konferenz mit den Beteiligten machte: Menschen, Flüchtlinge, die sonst zum Leben in Armut und Lager gezwungen wurden, in ihren Fähigkeiten beschnitten und ihrer Würde beraubt und ihres Engagements entledigt werden sollten, trafen nun als Gleiche unter Gleichen in den einladenden Räumen der Nürnberger Jugendherberge aufeinander, waren plötzlich Expertinnen und Experten in ihren Themen, diskutierten konzentriert und feilten an Strategien, um für die Anerkennung ihrer Würde und ein Mindestmaß an menschlicher Behandlung zu kämpfen. Es war das Leuchten in den Augen, das Bewußtsein der eigenen Lage und der Wille zu Veränderung, der mich begeisterte und in mir den Wunsch weckte, im Netzwerk Deutschland Lagerland mitzuwirken.
Ein halbes Jahr und einige Vernetzungstreffen, Aktionsüberlegungen und Besuche später starteten wir dann die LagerInventour 2009, die für uns alle im Netzwerk wohl mobilisierenste Phase der letzten Jahre. In wechselnder Besetzung tourten wir eine Woche durch alle sieben Regierungsbezirke Bayerns, besuchten Lager, Flüchtlinge, Initiativen, knüpften Kontakte zu Presse, Lokalpolitik, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und vor allem, tauchten intensiv ein in eine bedrückend zermürbende, angreifende Realität, der wir uns nur gemeinsam so vehement stellen konnten. Denn auch hier waren es vordergründig die Kontakte und Erfahrungen bei den Lagerbesuchen, die zum Teil ungeheuer nachhaltig wirkten; für uns im Flüchtlingsrat aber waren es vor allem die Phasen, in denen wir den tagsüber erlebten Horror, die Anekdoten von Abgründen und Katastrophen verarbeiteten, in denen wir uns austauschten, gemeinsamen lernten mit dem Durchlebten umzugehen, der uns zusammen schweißte und das Ganze erträglich machte. Immer wieder sprudeln dann neue Ideen und Impulse. Das letzte Gläschen Wein mit der sehr geschätzten Kollegin Andrae am Ufer der Donau wird mir dabei noch lange in Erinnerung bleiben!