Einfach sicher
Von Pit Kühnöhl
Die Welt ist kompliziert. Einfache und autoritäre Erklärungsmuster bieten gefühlte Sicherheit. Über das Aufflammen von Nationalismus und Rechtspopulismus, von Islamismus und von verschwörungsideologischem Denken in Deutschland und Europa.
Die Welt ist ein komplizierter und schwer zu durchschauender Ort. Reale wie irreale Bedrohungen suchen das Individuum und das Kollektiv heim. Eine Lösung dieser Fragen, sichere Antworten scheint es nicht zu geben. Auf der einen Seite sind die realen Bedrohungen des kapitalistischen Systems, das nicht nur in den Ländern der sogenannten Dritten Welt oder in der europäischen Peripherie Armut schafft, sondern auch in den wohlhabenden Ländern. Neben den dort bisher immer schon von Armut bedrohten prekär Beschäftigten, Arbeitslosen und alten Menschen wird auch die sogenannte Mittelschicht, der das kapitalistischen System bisher ein gutes Leben und positive Zukunftsperspektiven ermöglicht hatte, zunehmend von sozialem Abstieg bedroht. Der Weg nach unten scheint ein kürzerer als der nach oben – und ein drohender.
Auch die elementaren Ängste um Leib und Leben wachsen. Die regelmäßigen islamistischen Anschläge erfüllen das Ziel der Terroristen, Angst in Europa zu schüren – von den Ängsten
und konkreten täglichen Bedrohungen, denen die Menschen in den muslimis- chen Ländern durch islamistische Terrororganisationen und diktatorischen Regierungen ausgeliefert sind, ganz zu schweigen. Und die in Europa lebenden Muslime sehen sich mit einer wachsenden physischen Bedrohung durch den Rechtsextremismus und sogenannte „besorgte Bürger“ konfrontiert. Dass so Ängste und ein Unsicherheitsgefühl aufkommen, ist ebenso logisch wie trivial.
Irrationale Ängste
Auf der anderen Seite bilden aber viele Menschen irrationale Ängste aus. Ängste vor dem Neuen, vor den Veränderungen, die durch soziale Entwicklungen und gesellschaftlichen Fortschritt aufkommen. Männer ängstigen sich vor Frauen, die plötzlich nicht mehr nur Gebärmaschinen für den Volkskörper oder Modepüppchen zur männlichen Triebabfuhr sein wollen. „Besorgte Eltern“ ängstigt es, dass ihre Kinder in der Schule erfahren könnten, dass es neben der heterosexuellen Zweierbeziehung auch noch andere Lebens- und Liebesentwürfe gibt. „Besorgte Bürger“ ängstigen sich um das Abendland, wenn Menschen hierher fliehen – fliehen vor Kriegen, vor Diktatoren, die Europa unterstützt hat, vor dem Hunger und der Armut, die den europäischen Wohlstand mitbegründet haben. Und diese Ängste äußern sich nur allzu oft in gewalttätigen Aktionen.