Geld oder Liebe
Geld oder Liebe
Schließen sich das Anhäufen von Geld und ehrliche Nächstenliebe in einer Gesellschaft gegenseitig aus? Gibt es eine Form der Liebe, die uns alle bereichert – oder eine Form von Geld, die liebevoll ist?
In einem Labor der Berkeley-Universität spielen zwei zufällig ausgewählte Testkandidaten Mono – poly. Der eine Spieler zieht seinen Spielstein (den Rolls-Royce) mit einem triumphierenden „tock, tock, tock“ über das Spielfeld und beendet seinen Spielzug mit einem lauten Knall. Genüsslich zählt er das Spielgeld, das sein Gegenspieler mit schicksalsergebener Teilnahmslosigkeit über den Tisch schiebt. Offenbar zeichnen sich in diesem Spiel ein Sieger und ein Verlierer ab. Vor einem der Spieler türmen sich nicht nur die Geldstapel, irgendwie ist auch die Schüssel mit den Salzbrezeln, an der er sich großzügig bedient, in seine Nähe gewandert. Je länger das Spiel dauert, desto unangenehmer wird die Stimmung zwischen den Spielern. Der schweigsame Verlierer muss sich immer öfter unhöfliche Kommentare gefallen lassen, wie: „Ich kann schon gar nicht mehr verlieren“, oder: „Bald gehört mir alles, was Du hast.
Spielgeld und Nächstenliebe
Nach 15 Minuten wird das Experiment abgebrochen und die Teilnehmer nach ihren Eindrücken befragt. Der Gewinner wird voller Selbstbewusstsein sein Spielgeschick herausstellen und mit echter Überzeugung erklären, warum er seiner Meinung nach den Sieg verdient hat. Tatsächlich aber war das Spiel von Anfang an zu seinen Gunsten manipuliert. Ein Los vor Beginn des Spiels hatte entschieden, wer das doppelte Startkapital erhält, das doppelte Einkommen bei „Los“ einzieht und nicht nur mit einem, sondern zwei Würfeln ziehen darf. Dass ein Münzwurf über diese unfairen Ausgangsbedingungen entschieden hatte, war bei den über hundert Spielenden in der Rückschau der Gewinnerinnen und Gewinner weit weniger präsent, als in der der Verliererinnen und Verlierer. „Das ist eine wirklich unglaubliche Erkenntnis darüber, wie das menschliche Gehirn einen solchen Vorteil verarbeitet“, erklärt Paul Piff, Psychologe im „Berkeley Social Interaction Laboratory“1
In den Arbeiten von Prof. Dacher Keltner, Direktor des „Berkeley Social Interaction Laboratory“, geht es um die Liebe als soziales Phänomen. Er steht damit ganz in der Tradition von Sozialpsychologen wie Erich Fromm, der mit „Die Kunst des Liebens“ eines der einflussreichsten philosophischen Werke über die Liebe verfasst hat. Wie Erich Fromm sieht Dacher Keltner das Mitgefühl bzw. die Nächstenliebe als eine fundamentale Eigenschaft des Menschen und „[…] die fundamentalste Art von Liebe, die allen anderen Formen zugrunde liegt“2 . „Unsere Spezies hat überlebt, weil wir die Fähigkeit entwickelt haben, zu kooperieren und für Hilfsbedürftige zu sorgen“3 sagt Dacher Keltner und stützt sich damit auf Erkenntnisse der Evolutionspsychologie, die bis Pjotr Kropotkin zurückreichen.