Geliebtes Feindbild

Von Matthias Weinzierl

Wie wir einmal eine kriminelle Vereinigung in den Räumen der Münchner Kammerspiele gründeten.

Eigentlich fängt – wie so oft – alles ganz harmlos an. Auf dem 50. Geburtstag eines gemeinsamen Freundes in Berlin-Neukölln komme ich mit Harald Glöde von Borderline Europe ins Plaudern. Harald hatte uns für unsere Hinterland Ausgabe #27 mit dem Schwerpunkt „Schlepper, Schleuser, Super*heldin“ mit vielen guten Ideen versorgt und daher ist das erst einmal auch unser Thema.

Irgendwann fragt er mich: Kannst du mir diesen Ralf Homann vorstellen? Der hat doch vor Jahren dieses Schleuser.net ins Leben gerufen und der soll heute auch hier sein. Nichts einfacher als das. Nachdem wir Ralf im Raucherzimmer endlich ausgemacht haben, stehen wir zu dritt beieinander und vertiefen uns in einem ausufernden Gespräch über Schleppen, Schleusen und Fluchthilfe im Allgemeinen, und was konkret zu tun ist. Ralf, Künstler, Aktivist und Radiomensch, hatte mit befreundeten Künstlern das Kunstprojekt Schleuser.net gegründet, das bereits 2003 ein internationales Schleusertreffen in Graz organisiert hat. Wir sind begeistert. Wäre es nicht allerhöchste Zeit, hier etwas Ähnliches zu versuchen? Einige Getränke später stellen wir berauscht fest: Wir wiederholen das, aber in einem großen amtlichen Rahmen, und zwar in München. Die Idee zur 2. Schlepper- und Schleusertagung war in der Welt.

Aber warum sollte die Welt überhaupt so eine Tagung brauchen? Eine gute Frage. Uns beflügelte dabei die Vorstellung, mit unserer Tagung einen Perspektivenwechsel zu wagen, um eine dringend benötigte öffentliche Debatte um die Bewertung von Fluchthilfe zu eröffnen. Den aktuelle Diskurs bewerteten wir als höchst unerfreulich: Fluchthilfe, beziehungsweise das Schleppen und Schleusen, wird nahezu vollständig in einem kriminalisierten Kontext thematisiert, obwohl eine erfolgreiche Flucht ohne Unterstützung eine reine Fiktion, also undenkbar ist.

(der ganze Artikel im PDF Format)