Grußwort: Helmut Schleich
Mein Mann begann an jeder Gerechtigkeit zu zweifeln und bekam Panik. Er wusste, dass er allein gegen viele Polizeibeamte stand. Ihm wurden Handschellen angelegt und er wurde mit seinem Fahrrad in den Bus verfrachtet. Mit Blaulicht und Sirene ging es durch das Wohngebiet bis zum Haus der besagten Frau.
Unterwegs erkundigte sich eine Beamtin bei meinen Mann, warum er denn zuerst behauptet hätte, das Fahrrad geschenkt bekommen zu haben und später, dass er es für 50,- Mark gekauft habe? Mein Mann schwieg. Was hätte er auch auf diese neuerliche Unterstellung antworten sollen?
Inzwischen war es 22 Uhr. Ein Polizist klingelte bei der Frau und erkundigte sich, ob sie gestern Herrn Amare Biwake* ein Fahrrad geschenkt hätte. Verständnislos schüttelte sie den Kopf. Dieses „Nein“ der Frau drohte meinem Mann den letzten Mut zu nehmen, dennoch begann er wieder zu denken. Die Frau konnte seinen Namen nicht kennen. Er bat den Polizisten, doch zu fragen, ob sie einem Afrikaner ein Fahrrad geschenkt hätte. Jetzt erinnerte sie sich: „Ja, gestern, das Fahrrad meines Sohnes.“
Die Handschellen wurden entfernt, mein Mann und sein Fahrrad auf die Straße geschoben – keine Entschuldigung, keine Erklärung, nichts!
Er schiebt sein Fahrrad nach Hause und schweigt und erzählt und ist ohnmächtig. Er ärgert sich über mich, als ich ihn überreden möchte, eine Anzeige gegen die Polizeibeamten zu erstatten. Er möchte nicht noch mehr Ärger. Es reicht ihm, dass ihn die Nachbarn in Handschellen gesehen haben. Dabei möchte er einfach leben – so wie ich zum Beispiel. Das Fahrrad hat er nicht mehr angerührt.
Da er sich nicht zu einer Anzeige entscheiden konnte, erstattete ich eine in meinem Namen. Die Hoffnung, wenigstens millimeterweise bei der Polizei etwas zu verändern, habe ich spätestens nach der Antwort des Einsatzleiters aufgegeben. Das Handeln der diensthabenden Polizisten sei richtig gewesen. Mein Mann hätte ein gefährlicher Drogendealer sein können. Warum eigentlich? Weil er schwarz ist und Fahrrad fährt?<