Im Fadenkreuz der Sicherheit

Von Diana Sherzada

Menschen, deren Aufenthaltsstatus in Deutschland nicht längerfristig geklärt ist, leben zwischen einem aus- grenzenden Staatsangehörigkeitsrecht, der Verwaltungslogik der Behörden und den persönlichen Vorur- teilen ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Sicher scheint für sie vor allem das Gefühl, anders behandelt zu werden.

„Ihre Unterlagen sind an den Verfassungsschutz weitergeleitet worden. Wir müssen prüfen, ob Ihre Frau nicht einer terroristischen Vereinigung angehört. Das ist reine Formsache, das hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun“
(Gruppenleitung einer kommunalen Ausländerbehörde).

Diese Notizen mache ich mir auf dem Parkplatz der Behörde, die ich mit Amin im Jahr 2013 aufsuche. Seit Monaten wartet er auf Aussagen über den Stand des Verfahrens, das über seinen Antrag auf Aufenthaltsverlängerung entscheidet. Er ist Ende der 1980er aus Afghanistan nach Deutschland gekommen und hat seit bald zwei Jahrzehnten die deutsche Staatsbürgerschaft; seine Frau ist später nachgezogen. Seither leben er und Amina mit ihren Kindern in Bayern. Amin hat letzte Nacht schlecht geschlafen. Im Gespräch mit der Gruppenleitung ist er
sachlich.

Kaum sind wir im Freien,
 macht er sich Luft, denn er
ist sehr aufgebracht: „Was
 denken diese Leute 
eigentlich von uns? Dass
 wir Terroristen sind?
 Zusammen mit unseren kleinen Kindern? Sag, denken diese Leute nach? Und wie soll das nicht persönlich sein? Was wäre, wenn ich ihr das so ins Gesicht sagen würde? Und wie soll ich mir das ganze Prozedere überhaupt vorstellen: Haben die eine Liste auf ihrem Tisch liegen auf der die dann mit dem Finger nach dem Namen meiner Frau suchen? Das ist doch ein schlechter Witz, oder?“

Amins Familie kenne ich seit vielen Jahren. Unsere Kinder gehen den gleichen Schulweg. Häufig haben wir gemeinsam über Formblättern gesessen und versucht, die Logik der behördlichen Anrufung zu durchdringen. Er ist sichtlich gekränkt und fühlt sich in seinen Anliegen nicht gehört. Und noch mehr: Als Person fühlt er sich selbst und die Bedürfnisse seiner Familie abgelehnt. Es ist herauszuhören, dass er nicht von einem Missverständnis im Rahmen des behördlichen Gespräches ausgeht. Die anmaßenden Zuschreibungen in der behördlichen Situation wirken genauso abwertend auf ihn, wie sich auch der herrschende Diskurs in Deutschland durch seinen Alltag zieht und ihn organisiert: Er sortiert Menschen nach ethnischen, nationalen und kulturellen Kriterien und weist ihnen eine marginale Position zu. Ich versuche, mich in die Perspektive der Verwaltungspraxis zu versetzen: Auf welches Wissen stützen sich Behörden? Ist die Ansprache der Gruppenleiterin vielleicht doch ein Versehen?

(der ganze Artikel im PDF Format)