Koste es, was es wolle
Von Bernd Kasparek
Koste es, was es wolle
Auch nach der Katastrophe von Lampedusa geht es der europäischen Grenzpolitik um die Verhinderung von Migration. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Grenzschutzagentur Frontex und die Zusammenarbeit mit den Anrainerstaaten
Die Tragödie, die sich in der Nacht auf den 3. Oktober 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa im Mittelmeer zutrug, holte mit aller Macht ein Thema zurück in die öffentliche Debatte, das seit vielen Jahren immer wieder auftaucht, aber ebenso schnell wieder verschwindet: Das Sterben an Europas Grenzen. Ein Schiff mit bis zu 500 Flüchtlingen, welches 12 Stunden zuvor in Libyen aufgebrochen war, erlitt Schiffbruch und kenterte. Nur rund 150 Menschen konnten gerettet werden.
Leider, so muss hinzugefügt werden, handelt es sich bei diesem Drama keineswegs um einen Einzelfall, auch wenn diesmal besonders viele Menschen ums Leben kamen. Gerade rund um die italienische Insel Lampedusa, die weit südlich im Mittelmeer liegt – südlicher noch als Malta und nahe der nordafrikanischen Küste – ereignen sich immer wieder Schiffsunglücke, bei denen Flüchtlinge sterben. Auch an anderen Orten an der Außengrenze der Europäischen Union kommt es immer wieder zu Dramen. Erst Mitte September 2013 versuchten Flüchtlinge von Marokko aus, in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla vorzudringen. Die beiden Städte umgibt die einzige Landgrenze zwischen Afrika und der Europäischen Union. Sie waren schon 2005 – und seitdem immer wieder – Orte, an denen es zum Sturm auf die Grenzen Europas kam. Nach den Ereignissen von 2005, die in Europa einen starken medialen Widerhall fanden, wurden rund um die Städte die Grenzanlagen verstärkt, die Grenzzäune auf sechs Meter erhöht und durch Stacheldraht, Kameras und Bewegungsmelder ergänzt, jedoch offensichtlich ohne abschreckenden Effekt.
Auch an der griechisch-türkischen Grenze – sowohl der Landgrenze im Norden als auch der Seegrenze zwischen der türkischen Küste und den griechischen Ägäis-Inseln, die an manchen Stellen nur durch wenige Kilometer Meer getrennt werden – versuchen tagein, tagaus Flüchtlinge, die Grenze zur Europäischen Union zu überwinden, ohne dabei gefasst zu werden. Auch dort kommt es immer wieder zu Todesfällen und zu illegalen Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze.
Besonderheiten der EU-Außengrenze
Diese Schilderungen stehen exemplarisch für das, was sich an allen Grenzorten der Europäischen Union – Häfen und Flughäfen eingeschlossen – tagtäglich abspielt. Damit steht die konkrete Ausgestaltung der Grenze der Europäischen Union für eine europäische Migrations- und Asylpolitik, die in den letzten zwei Jahrzehnten entstanden ist. Das Konzept und das Verständnis von Außengrenze, wie es sich in der Europäischen Union entwickelt hat, ist nicht lösbar von migrationspolitischen Erwägungen, auch wenn weitere politische Fragestellungen, wie etwa Zoll, Handel, und – besonders nach den Anschlägen des 11. September 2001 – Sicherheit und Terrorismus eine Rolle in der Ausgestaltung der Grenze gespielt haben.