Lektionen in Flüchtlingsarbeit
Lektionen in Flüchtlingsarbeit
Ein Bericht aus der Praxis. Vom ersten Praktikanten Florian Zehetmair.
In den letzten Zügen des ausgehenden Jahrtausends – Bologna-Prozess, Bachelor und Studiengebühren schienen noch weit entfernt – absolvierte ich meine Ausbildung in dem, was mittlerweile „angewandte Sozialwissenschaften“ genannt wird. Es muss November 1998 gewesen sein, ab Frühjahr 1999 standen die beiden praktischen Semester an, aber ich wollte mir noch ein bisschen Zeit nehmen um mich zu orientieren. Im Raucherzimmer – das es damals an Hochschulen noch gab – sprach mich eine mir nur flüchtig bekannte Kommilitonin an. Ich sei doch politisch interessiert, ob ich mich für einen Praktikumsplatz in einem Dachverband der Flüchtlingssolidarität interessieren würde. Ich würde es mir gern mal anschauen, sagte ich und gab ihr meine Nummer.
Den sozialpädagogischen Headhunter im Nacken
Schon am nächsten Tag war eine Nachricht auf dem WG-Telefon. Hallo, hier sei der Christian vom Bayerischen Flüchtlingsrat, ich möchte wegen des Praktikums doch umgehend zurück rufen. Naja, dachte ich, bis 15. März ist noch ein wenig Zeit, notierte mir die Nummer und nahm mir vor, mich innerhalb der nächsten Woche mal zu melden. Bevor ich mein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, klingelte erneut das Telefon. Hier sei Christian vom Bayerischen Flüchtlingsrat, wir sollten jetzt bald einen Termin ausmachen, um den Ausbildungsvertrag abzuschließen, es sei schon eilig. Ich begab mich also in den nächsten Tagen in die Valleystraße in Untersendling. Dicke Rauchschwaden empfingen mich in der Geschäftsstelle, die aus zwei von einer Wohnung im Erdgeschoß abgetrennten Räumen bestand. Im vorderen Raum, der von einer Gruppe der Nicaragua-Solidarität genutzt wurde, eine Spüle, ein Schreibtisch und kistenweise Nicaragua-Libre-Kaffee. Im hinteren Raum, wo der Rauch herkam, ein PC, ein rauchender Geschäftsführer und akkurate Ordnung. Mir wurden die anfallenden Tätigkeiten erläutert: Mitgliederverwaltung und Buchführung, Teilnahme an verschiedenen Gremien, Herausgabe des zweimonatlich erscheinenden „Infodienstes“ und des „Initiativenrundbriefes“, Öffentlichkeitsarbeit durch Presseerklärungen, telefonische Sprechzeiten, Multiplikatorenberatung, in speziellen Fällen auch Einzelberatung von Flüchtlingen, Spendenaktionen, alles in allem eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit mit politischem Nutzen und moralischem Mehrwert. Ich sah schnell ein, dass ich hier wohl nicht ohne zu unterschreiben rauskommen würde und wollte.