Liebe in Zeiten des Transits
Von Kristin Kastner
Liebe in Zeiten des Transits
Liebe. Liebe? Was bedeutet denn “Liebe” in einem Leben der Widrigkeiten, der Klandestinität und Gewalt, des Misstrauens und vieler Träume, wo das Flüchtige normal, das Stete die Ausnahme ist, wo Menschen tagtäglich um ihre Existenz kämpfen und gleichzeitig nie aufhören, beharrlich den Traum von einem besseren Leben zu verfolgen? Wie gestaltet sich das Leben und Lieben on the road, wenn junge Frauen aus Nigeria sich auf dem Landweg nach Europa begeben?
You know, all of us, we live a different life from what we thought. Most of us left Nigeria as single girls. We wanted to travel, but on the road we got pregnant. We waited for years to enter this Europe and now we are all single mothers. Jessica, she need a father, my baby Success need a father. Evelyn and Faith, they should look for serious husband, maybe Spanish. For me, it is different, I still have contact with my husband. We call each other all the time. He still have not seen Success, because I gave birth the very day I entered. (Beauty)
Beauty hat es geschafft, nach Spanien zu gelangen. Die Umstände, die ihren Weg begleiteten, ähneln denen tausender nigerianischer Migrantinnen: Während der Zeit, in der sie in Marokko auf die Überfahrt wartete, wurde sie schwanger, bevor sie im Sommer 2004 in einer patera die Meerenge von Gibraltar überquerte. Noch am gleichen Tag brachte sie ihre Tochter Success zur Welt. Ihr husband blieb in Marokko und wurde im Rahmen der groß angelegten Razzien kurz nach den Erstürmungen der Grenzzäune von Ceuta und Melilla im Herbst 2005 in die Westsahara deportiert und bald darauf nach Nigeria abgeschoben.
Travelling…
Die Migration nigerianischer Frauen, auch unabhängig von Männern, seien es Ehemänner, Väter oder männliche Verwandte, hat eine lange Geschichte innerhalb Nigerias und der Region – ihre internationale Migration kann daher nicht als völlig neues Phänomen, sondern vielmehr als eine Erweiterung dieser Mobilität betrachtet werden. Der auch den Strukturanpassungsmaßnahmen geschuldete wirtschaftliche Kollaps in den 1980er Jahren führte im Ölstaat Nigeria zur Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. Die Motivation, außerhalb des Landes nach neuen Möglichkeiten zu suchen, das eigene Leben und auch das der Familie zu verbessern, wuchs. Viele Frauen können ihrer Verpflichtung, Eltern, jüngere Geschwister und immer wieder auch eigene Kinder zu versorgen, nicht mehr nachkommen. Die Abenteuerlust als Motiv für die Reise nach Europa wurde in den Erzählungen nigerianischer Migrantinnen im Laufe der Zeit durch die Ökonomi – sche Notlage der Familie verdrängt.
Doch das erträumte Europa liegt fern und die Realität steht in starkem Kontrast zu Erzählungen, in denen Europa als ein Ort des sweet life imaginiert wird. Jene Frauen und Männer, die es sich nicht leisten können, mit Visum und Flugzeug nach Europa zu gelangen, verbringen oft Monate bis Jahre on the road. Neue Beziehungen sind bedeutsam in dieser Zeit der Reise und der Fortschritte, der Rückschritte in Form von Deportationen und des Wartens auf neue Gelegenheiten.