NEIN heißt NEIN!
Von Judith Völkel
NEIN heißt NEIN!
Freizügig bekleidet und mit der stolzen Selbstbezeichnung „Schlampe” gegen Sexismus und Vergewaltigungsmythen zu demonstrieren ist umstritten. Ein Plädoyer für den „Schlampenmarsch” (SlutWalk)
Auslöser des globalen Aufstandes der „Schlampen“ war die Bemerkung eines kanadischen Polizisten, Frauen sollten sich nicht wie „Schlampen“ anziehen, wollten sie nicht zu Opfern sexueller Übergriffe werden. In Folge dieses Präventionsvorschlags – der eine Mitverantwortung der Frau an der an ihr verbrochenen sexualisierten Gewalt aufgrund ihrer Kleidung behauptet und somit die Täter Opfer-Beziehung umkehrt – fand der erste Protestmarsch im April 2011 in Toronto statt. Empörte riefen mit Hilfe sozialer Netzwerke dazu auf, weltweit Widerstand gegen eine solche Mythisierung von Vergewaltigung zu leisten. Slutwalks wurden beispielsweise in Ottawa, Vancouver, Miami, Seattle, Melbourne, Amsterdam, Stockholm, London, Paris, Glasgow, São Paulo, Tegucigalpa und Matagalpa organisiert. Nach dem ersten Slutwalk in Deutschland am 23. Juli dieses Jahres im niederbayerischen Passau fand die deutschlandweite Demonstration am 13. August städteübergreifend im Ruhrgebiet, in Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart und München und am 15. Oktober in Leipzig statt.
Weltweit eint das Aufbegehren gegen die Schuldzuschreibung an die Opfer sexualisierter Gewalt die Teilnehmer_innen der Slutwalks. Daneben verfolgen die verschiedenen Demonstrationen auch lokale Ziele. So setzt der Slutwalk in Honduras – einem Land, in dem offene Gewalt gegen Frauen alltäglich, die Mordrate an Frauen enorm ist und Abtreibung mit Gefängnis bestraft wird – an einem anderen Punkt an, als in „westlichen“ Ländern, wo zumindest auf gesetzlicher Ebene die Gleichberechtigung von Mann und Frau weitgehend verwirklicht ist.
In München demonstrierten etwa 500 Personen jeden Alters und Geschlechts – teilweise leicht bekleidet, teilweise in gewöhnlicher Alltagskleidung. Nach einer Auftaktkundgebung am Goetheplatz, bei der auch Cordula Weidner vom Frauennotruf und Maraike Stuffler zum Thema LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans) sprachen, zog die Versammlung durch das Bahnhofsviertel und die Innenstadt auf den Marienplatz. Dort brachten Katharina Schulze, Vorsitzende der Münchener Grünen, Juliane von Krause, Terre des Femmes e.V., Thomas Lechner, Veranstalter des Candy Clubs, und Simone Kraft, Pressesprecherin des Antisexistischen Aktionsbündnisses München, in Redebeiträgen ihre Anliegen zum Ausdruck.
This is not my I-want-you-face
Slutwalk ist Grenzüberschreitung und genau deshalb eine geeignete Form des Widerstandes. Wenn Menschen als „Schlampen“ auf die Straße gehen, wird ein Spiel mit dem Begriff möglich. Die Definitionsmacht liegt nun bei den Bezeichneten selbst. Nachdem man sich den Begriff angeeignet hat, kann sich seine Bedeutung verschieben. „Schlampe“ muss nicht negativ konnotiert sein. „Schlampe“ wird zur Forderung nach (sexueller) Selbstbestimmung, körperlicher Unversehrtheit und dem Recht auf persönliche Grenzen. Allerdings gibt es auf den Slutwalks keine Kleiderordnung. Um mit dem Konzept der „Schlampe“ zu spielen muss keine Selbstidentifikation als „slut“ gegeben sein.