Rassismus in Stadt und Land
Von Tuan Tran
Rassismus auf dem Land – Rassismus in der Stadt
Anhand meines Erfahrungshaushaltes wird versucht darzustellen, wie sich rassistische Energien und Strömungen im ländlichen und städtischen Raum unterscheiden und aus dem Erfahrungsbericht die Schneise zu einer ersten Analyse zu schlagen.
Obwohl das Ereignis schon eine Weile zurückliegt, beschäftigt es mich immer noch. Es war in einem Freilichtmuseum, irgendwo in Thüringen. Wir waren nicht die ersten Besucher*innen an diesem Morgen. Schulkinder liefen zwischen den rekonstruierten Holzhäusern herum. Zwei Lehrerinnen beaufsichtigten die Kinder vom Kassenhäuschen aus. Als wir uns dem ersten Holzhaus näherten, hörte ich, wie eines der Kinder seinen Mitschüler*innen „Ein Ausländer“ zurief. Dieser Ruf traf mich wie ein Stein am Kopf. Sofort begriff ich, wer damit gemeint war und in welchem Sinne das Kind dieses Wort konnotierte. Schnell verbreitete sich die Sensationsnachricht über das ganze Gelände. Die Kinder, die soeben herumtobten, blieben plötzlich stehen. Es wurde ruhig. Kinderblicke waren auf mich gerichtet. Es waren jedoch keine sanftmütigen Blicke aus Engelsgesichtern, es waren verletzende Blicke einer rassistischen Gesellschaft. Ich fühlte mich kompromittiert, unsicher, zu einem Sensationsobjekt degradiert. Ein Objekt, das zwar Neugierde erweckte, das man aber zutiefst verabscheute. Reflexartig trugen mich meine Beine auf die andere Seite des Geländes; dort, wo keine Kinder zu sehen waren. Keines der Kinder folgte mir. Trotz dieses Vorkommnisses wollte ich mir meinen Besuch im Freilichtmuseum nicht vermiesen lassen. Ich war schließlich hierhergekommen, um mir die rekonstruierten Häuser anzuschauen. Von Weitem wurde mir hin und wieder „Hey, du Ausländer!“ hinterhergerufen. Der Versuch, die Rufe an mir abperlen zu lassen, scheiterte. Jeder Ruf traf mich.