Sortenreine Kulturen
Von Till Schmidt
Sortenreine Kulturen
Über die sauber getrennten Welten des „Ethnopluralismus” in den Vorstellungen der sogenannten Neuen Rechten.
Mit dem Schlagwort „Ethnopluralismus“ erhebt die „Neue Rechte“ ein neuartiges und historisch unbelastet erscheinendes Theoriekonzept zu ihrem ideologischen Kernstück. Unter dem Vorzeichen einer „Gleichwertigkeit der Kulturen“ postuliert sie ein „Recht auf Differenz“ und propagiert „Völkervielfalt“. Sie sieht sich nicht nur als Avantgarde, die als Ideenschmiede Stichworte durchaus für die extreme Rechte liefert, sondern auch – und insgesamt heute viel stärker – als Brücke zur gesellschaftlichen Mitte.
Die „Neue Rechte“ entstand ab den 1960ern in Frankreich. Als „Nouvelle Droite“ erwuchs sie aus einem Kreis junger Akademiker um den Philosophen Alain de Benoist und begriff sich als Gegenpol zur zuvörderst durch die 68er-Studentenbewegung Aufmerksamkeit erfahrenden „Neuen Linken“. Selbsterklärter Anspruch jener in sich nicht homogenen, europaweit agierenden Strömung ist einerseits eine Abgrenzung vom Nationalsozialismus. Andererseits soll der „alte“ völkische Nationalismus, dessen Ideenträger sich in Europa ab dem Ende des 19. Jahrhunderts formierten, erneuert werden. Ein Schlaglicht auf die zentralen ideologischen Theoreme verdeutlicht aber, dass ein Großteil der Ansichten keineswegs so neu ist, wie die Selbstbezeichnung „Neue Rechte“ suggerieren mag.
„Jedes Abo eine konservative Revolution“
Basierend auf einer hochgradig instrumentalisierenden Rezeption der Konzepte des italienischen Marxisten Antonio Gramsci (1891-1937), pflegt die „Neue Rechte“ ein intellektuelles und elitäres Selbstverständnis. Dabei geht es ihnen um eine strategisch durchdachte Erringung einer grundsätzlichen „kulturellen Hegemonie“ in der Zivilgesellschaft. Diese fungiere als ergänzender Gegenpart zum Staat. Zivilgesellschaft meint auf der einen Seite einen eher institutionellen Bereich – etwa Bibliotheken, Presseorgane, Bildungseinrichtungen oder Gewerkschaften. Auf der anderen Seite aber das Vorherrschen bestimmter grundsätzlicher Einstellungen, Handlungsweisen und Mentalitäten. Das langfristige Ziel, so Benoist, sei zunächst eine „Transformation der allgemeinen Vorstellungen“. Der „Neuen Rechten“ geht es um eine „Kulturrevolution von rechts“ – oder wie es die in deren Tradition stehende Wochenzeitung Junge Freiheit einst formulierte: „Jedes Abo eine Konservative Revolution“.