„Wen kümmert das Leben eines Migranten, vor allem das eines Asylsuchenden?“
Von S.I.L.A.
Rückblick auf zwei Monate Widerstand am Sendlinger Tor in München jenseits der Willkommenskultur.
Dieser Text wurde von einer Gruppe von Menschen aus München geschrieben, die seit mehreren Jahren in selbstorganisierte Proteste von Geflüchteten involviert sind. Die meisten von uns sind deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Damit sehen wir uns nicht als das primäre politische Subjekt der Proteste. In der Vergangenheit hat dies bedeutet, dass wir uns in die öffentliche Debatte nicht eingeschaltet haben. Damit war es deutlich weniger involvierten Instanzen möglich, die Ereignisse zu deuten. Auch wenn die Perspektive der Geflüchteten für uns nach wie vor die wichtigere ist, sehen wir uns auch selbst in der Verantwortung, zur Gewalt und Ignoranz der deutschen Gesellschaft Stellung zu beziehen. Der Text wurde mit Geflüchteten von den Sendlinger-Tor-Protesten diskutiert.
Ein neues Kapitel Protestgeschichte wurde geschrieben. Beim Erzählen dieser Geschichte ist die Frage: Wo soll der Anfangspunkt gesetzt werden? Am 07.09.2016, als etwa 200 Geflüchtete durch die Münchner Innenstadt zogen und anschließend ein Protestcamp starteten? Bei dem Non-Citizen-Treffen2 am Tag zuvor? Oder im August, als verschiedenen Generationen von Refugee-Aktivisten und Aktivistinnen in den Lagern in Oberbayern zur Mobilisierung an Türen klopften? Während es nicht einfach ist, den Anfangspunkt zu benennen, ist klar an welchem Ort Geschichte gemacht wurde. So wie der Rindermarkt hat sich der Sendlinger-Tor-Platz in den Stadtplan des Widerstands eingeschrieben. Dort protestierten Geflüchtete von „Refugee Struggle for Freedom“ über mehrere Wochen hinweg. Es begann zunächst mit einem Protestcamp, dann folgte ein Protestmarsch von dort aus und später ein Hungerstreik. Die Forderung: Bleiberecht.
„Alle unsere Forderungen gehen in der Forderung nach Bleiberecht auf. Wir fordern das Recht auf Arbeit, Bildung und freie Wahl des Wohnortes. All dies sind staatsbürgerliche Rechte – daher ist unsere Hauptforderung Bleiberecht.“ Mit dem Protest ging es nicht um ein Zeichen. Die Non-Citizens führten einen existentiellen Kampf um ihr eigenes Leben:
„Der Hungerstreik begann, denn wir versuchten uns zu verteidigen, als die Politiker_innen unserer Herkunftsländer sich nicht um unsere Leben kümmerten und als die Politiker_innen von Deutschland sich nicht für unsere Leben interessierten. Das Ergebnis davon; alle konnten es sehen – kein Dialog, kein Respekt, keine Menschlichkeit, dafür aber eine Räumung.“