Wenn Gewaltschutz ein finanzieller Flickenteppich ist

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention) ist seit 2018 in Deutschland geltendes Recht. Es betont den Schutz aller Frauen vor Gewalt, unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Doch trotz der rechtlichen Grundlage stoßen geflüchtete Frauen oft auf Barrieren beim Zugang zu Frauenhäusern. Der Bayerische Flüchtlingsrat erlebt regelmäßig, wie unzureichende Finanzierung und unsicherer Aufent- haltsstatus den Schutz geflüchteter Frauen gefährden. Ein dringendes Thema.
Ein Interview mit Sylvia Haller

Warum haben geflüchtete Frauen im Asylverfahren, mit Duldung oder unsicherem Aufenthaltsstatus, oft keinen Zugang zu Frauenhäusern?

Das hängt oft damit zusammen, wie Frauenhäuser finanziert werden. Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein haben eine pauschale Finanzierung. Diese Systematik der Finanzierung ist etwas stabiler. Alle anderen 13 Bundesländer sind komplett oder teilweise tagessatzfinanziert. Viele Frauenhäuser erhalten also nur Geld pro Tag und pro Kopf eines belegten Bettes. Das Geld erhalten sie nur, wenn die Frauen Sozialleistungen beziehen. Das kann auch die Asylbewerberinnenleistung sein. Es kann aber sein, dass diese nicht anerkannt wird. Wenn eine Frau zum Frauenhaus kommt, ist eine meiner ersten Fragen, ob sie einen Anspruch auf Sozialleistungen erhält. Bekommt sie zum Beispiel Bürgerinnengeld, ist das unter der Tagessatzfinanzierung der Jackpot. Sie stellt ihren Antrag auf ihren Lebensunterhalt, bekommt Kosten für Verpflegung und Klamotten und wir bekommen die Kosten der Unterkunft und für die Beratung erstattet. Wenn die Frau eine Arbeit findet, dann fällt sie raus aus dem Leistungsbezug. Dann muss sie selbst für ihren Frauenhausaufenthalt aufkommen. Die Tagessatzfinanzierung funktioniert je nach Bundesland unterschiedlich und variiert zudem von Kommune zu Kommune.


Kannst du das genauer erläutern?

Für jedes Bundesland gibt es eine landesweite Vereinbarung, ob Frauenhäuser komplett tagessatzfi- nanziert sind oder in einer Misch- form, wo sowohl das Land als auch die Kommune finanzielle Beiträge leisten. Die genauen Modalitäten, wie der Tagessatz auf das Konto des Frauenhauses gelangt, werden in jeder Kommune individuell verhandelt. Sogar die Höhe der Tagessätze müssen einzeln in der Kommune verhandelt werden, als auch über welche Gesetzbücher die Leistungen für ein Frauenhaus abgerechnet werden können. Wenn ich eine Caritas als Träger im Rücken habe, sind meine Verhand- lungschancen möglicherweise besser als für einen kleinen Verein. Die Logik der Finanzierung hat aber nichts mit der Trägerschaft, sondern mit der Örtlichkeit des Frauenhauses zu tun. Das führt zu einer Vielzahl von unterschiedlichen Vereinbarungen. Hinzukommt die finanzielle Abwicklung. Einige Frauenhaus- träger konnten Vereinbarungen treffen, dass die Kommune selbst für die Kostenerstattung verantwortlich ist. In solchen Fällen müsste die Aufnahmekommune, zum Beispiel Regensburg, mit der Herkunftskommune, wie Wolfratshausen, über die Erstattung der Kosten streiten. Es gibt jedoch auch Frauenhäuser, deren Träger solche Vereinbarungen nicht treffen konnten. Das Frauenhaus in Regensburg muss dann selbst mit der Kommune Wolfratshausen verhandeln, um die Kosten für die Frau aus Wolfratshausen erstattet zu bekommen. Diese mögliche Auseinandersetzung um die Kosten kann das Aufnahmeverhalten des Frauenhauses beeinflussen, da zusätzliche Ressourcen und Kapazitäten erforderlich sind.

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