Wenn Migrant*innen und Geflüchtete gewaltsam verschwinden
An den Außengrenzen der EU sind es menschenunwürdige und überfüllte Lager, gewaltsame Push-Backs und Leichen an den Mittelmeer-stränden. In Zentralamerika sind es tausende Menschen in Flüchtlingskarawanen mit dem Ziel USA, die auf ihrem Weg der Gewalt durch guatemaltekische oder mexikanische Sicherheitskräfte und organisierte Kriminelle ausgesetzt sind. In Asien arbeiten Menschen ohne jegliche Absicherung für einen Hungerlohn auf Großbaustellen oder in Privathaushalten. Dies sind nur die besonders sichtbaren Beispiele dafür, welche Gefahren Menschen auf sich nehmen, um Krieg, Gewalt und Armut zu entkommen und ein besseres Leben zu finden. Ihre Wege werden gefährlicher, weil die Migrationspolitik weltweit immer restriktiver wird und legale Migrationswege zunehmend versperrt werden. Der aggressive Diskurs gegen Migrant*innen, Geflüchtete und Asylsuchende und der ihnen oft verwehrte Zugang zu Recht verstärken die Verletzlichkeit dieser Menschen zusätzlich. Je mehr sie in Medien und Politik nur noch als amorphe Menge statt als Individuen wahrgenommen werden, umso geringer wird die Bereitschaft von Staaten nach ihnen zu suchen. Das Risiko für Migrant*innen und Menschen auf der Flucht, Opfer von gewaltsamem Verschwindenlassen zu werden, ist in den vergan- genen Jahren deutlich größer geworden.
Schon als Abgeordnete des Europaparlaments von 2009 bis 2019 habe ich mich viel mit der europäischen Flüchtlingspolitik und der Menschenrechtslage von Geflüchteten und Migrant*innen weltweit beschäftigt. Ich weiß um die Tausende von ihnen, die jedes Jahr auf dem Weg in das Zielland verschwinden. Diese Zahlen werden zukünftig eher noch steigen, auch wenn längst nicht alle Opfer von gewaltsamem Verschwindenlassen sind. Die Dunkelziffer ist sehr hoch, auch weil bei den vielen Haftzentren, in denen Migrant*innen gefangen gehalten werden, es nahezu unmöglich ist, Fälle von gewaltsam Verschwundenen Migrant*innen zu belegen.