Wollmützerl und Mohnstrudel
Wollmützerl & Mohnstrudel
In Wien gehen Polizei und Bürgerschaft scharf gegen bettelnde Menschen vor. Die Bettelverbote wurden alle mit der Existenz einer „Bettelmafia“ begründet. Ein Einblick in den österreichischen Abwehrkampf gegen Armutsmigration.
Seit in den letzten Jahren bettelnde Menschen auf den Straßen Wiens wieder zum Alltag gehören, berichten die Medien von einer ominösen „Bettelmafia“, die diese Menschen „aus dem Osten“ in die Bundeshauptstadt bringen und ausbeuten würde. Alle kennen die Geschichten von „Hintermännern“, die im Mercedes vorfahren, die Bettelnden einsammeln und ihnen das Geld wegnehmen. Selbst gesehen hat das niemand, aber man kennt jemanden, der es angeblich gesehen oder davon gehört hat. Spricht man in Wien über das Thema Betteln, ist dieses Bild allgegenwärtig.
Bettler = Roma = Mafia
Doch woher kommt die Idee von einer „Bettelmafia“? In jedem Fall spielen tief verwurzelte antiziganistische Ressentiments eine große Rolle. Bettelnde Menschen werden in Österreich meist für Roma/Romnja gehalten, die Begriffe sind in ihrer Bedeutung für viele Menschen schon identisch geworden. Spricht man über diese Menschen, tut man es von Beginn an abwertend. Bettelnde Menschen wohnen nicht, sie „hausen“. Mehrere von ihnen sind keine Gruppe oder Familie, sondern eine „Bande“. Jede Form der sozialen Interaktion, gemeinsames Kaffee trinken, Fahr- oder Wohngemeinschaften werden zum Beweis dafür, dass es sich um „organisierte Banden“ handelt.
In einer Debatte zur Verschärfung des Bettelverbotes in Wien stellte die Gemeinderatsabgeordnete Barbara Feldmann (Volkspartei) fest, „…dass das organisierte Banden sind mit dem gleichen Outfit, mit gleichem Wollmützerl…“. Ihre Parteikollegin Ursula Stenzel wollte einmal einer Bettlerin einen Nusstrudel kaufen. Diese wollte aber lieber einen Mohnstrudel haben, was Stenzel als Beweis für die Existenz einer „Bettelmafia“ anführte
Was auch immer bettelnde Menschen tun, es wird so ausgelegt, dass das Bild einer „Bettelmafia“ gestärkt wird. Woran man erkennen kann, wer zur Mafia gehört und wer nicht, kann niemand erklären. Allerdings werden nur bettelnde Menschen aus dem Ausland, vor allem jene, die man als Roma/Romnja wahrnimmt, als „Bettelmafia“ bezeichnet. Solchen Menschen traut man freilich auch alles zu. Sozial – demokratische Abgeordnete haben ein Kinderbettelverbot legitimiert, indem sie den bettelnden Menschen unterstellten, ihre Kinder zu verleihen oder zu vermieten und generell zu missbrauchen. Die Abgeordneten der Freiheitlichen und der Volkspartei haben sich freilich noch ärger über bettelnde Menschen geäußert und mutmaßten unter anderem, die Kinder würden mit äußerster Brutalität zu Kriminellen erzogen. Die grundrechtlich bedenklichen Bettelverbote, die in den letzten Jahren eingeführt wurden, wurden alle mit der Existenz einer „Bettelmafia“ begründet, gegen die man vorgehen müsse und vor der man die Opfer schützen wolle.