zitiert & kommentiert
Von Hubert Heinhold
„Herrmann sieht Sicherheitsrisiko durch Flüchtlingszuzug“
(Münchner Abendzeitung, 27.07.2016)
„Gerade rechtsextremistische Kreise nutzen die Angst der Bürger
für ihre hässlichen Propagandazwecke“
(Joachim Herrmann, dpa 27.07.2016)
Natürlich hat man, wenn die Bomben nicht nur in Paris, Bagdad oder Kabul, sondern auch in Ansbach hochgehen und Menschen in den Tod reißen, Angst. Sie fußt in der diffusen Bedrohung, die unabhängig vom eigenen Tun ist, die sich jederzeit und überall auf der Straße realisieren und gegen die sich der Einzelne kaum wappnen kann. Dass viel mehr Menschen im Straßenverkehr, ja sogar bei häuslichen Unfällen ums Leben kommen, ändert daran nichts. Man fühlt sich, wie die Menschen in vorwissenschaftlichen Zeiten, dem Schicksal und den Naturgewalten ausgeliefert. Aus diesem Ohnmachtsgefühl sind wohl die ersten Religionen entstanden. Böse Geister, Trolle und Teufel waren für die Seuchen und Katastrophen verantwortlich und Schamanen und Scharlatane nutzten die Angst zur Etablierung eigener Macht. Dass dies auch im 21. Jahrhundert noch funktioniert, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich.
Jeder von uns kennt den Mechanismus, eigene Versäumnisse anderen anzulasten: nicht der Schüler oder die Schülerin war faul, sondern der Lehrer oder die Lehrerin unfähig, nicht die eigene Arbeit halbherzig, sondern das Material schlecht, nicht man selber unkonzentriert, sondern der Unfallgegner oder die Unfallgegnerin. Kollektive Ausgrenzungen von Minderheiten, Herabwürdigungen einzelner Gruppen, Stämme oder Völker sind nichts anderes, verleihen aber den Anführern den Nimbus der Tatkraft. Da ihr Erfolg ebenso wenig messbar ist wie der des Unwetterzaubers, werden sie nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern aufgrund ihrer Heilsversprechen oft wiedergewählt.