zitiert – kommentiert
Von Hubert Heinhold
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“
(Art. 1 EU-Grundrechte-Charta)
„Wenn die Flüchtlinge nicht mehr individuelle Fälle, sondern… ein Massenphänomen darstellen, (haben) diese Organisationen wie die einzelnen Staaten trotz ihrer feierlichen Anrufungen der ‚heiligen und unveräußerlichen‘ Menschenrechte sich nicht nur als gänzlich unfähig erwiesen … das Problem zu lösen, sondern überhaupt in angemessener Weise mit ihm umzugehen“
(Giorgio Agamben, homo sacer)
Nicht nur in Griechenland, sondern auch in Italien, Ungarn, Bulgarien und vielen anderen
Unionsstaaten wird die Menschenwürde der Flüchtlinge täglich verletzt. Viele werden inhaftiert, andere leben in Massenunterkünften ohne ausreichende medizinische Versorgung und Betreuung. Familien werden getrennt. Manche werden nach einem Schnellverfahren auf die Straße gesetzt und sich selbst überlassen. Rassistische Übergriffe sind nicht selten. Bildungs- und Sprachangebote fehlen. Sie sind Nummern in einem bü- rokratischen Verteilsystem, das Dublin-III-Verordnung heißt.
Es ist gescheitert. Das zeigen die jüngsten Zahlen. Im ersten Quartal 2015 wurden 75.034 Asylanträge in Deutschland gestellt. In 12.152 Fällen wurde an einen anderen EU-Staat ein Übernahmeersuchen gestellt, in 8.455 Fällen wurde dem Ersuchen zugestimmt, 7.010 Dublin-Entscheidungen wurden erlassen. Ganze 974 wurden dann überstellt. In den vorangegangenen Quartalen waren die Zahlen nur geringfügig höher.
Um 1,298 % der 75.000 Asylantragstellenden nach Italien oder Bulgarien oder einen anderen Unionsstaat überstellen zu können, beschäftigen sich Heerscharen von Bürokratinnen und Bürokraten in den jeweiligen Unionsstaaten mit dem Austausch von Informationen, der Prüfung und dem Erlass von Zuständigkeits-Bescheiden und Richterinnen und Richter mit der Überprüfung derselben. Die eigentliche Arbeit, die Entscheidung über den Asylantrag, bleibt auf der Strecke. Dublin-Verfahren werden prioritär entschieden.